Jesus gibt sich mit Sündern ab

Im Evangelium vom 24. Sonntag im Jahreskreis (C) nehmen die Pharisäer an Jesus Anstoß, weil er sich mit Sündern abgibt. Jesus erzählt als Antwort auf diesen Vorwurf die Gleichnisse vom verlorenen Schaf, von der verlorenen Drachme und vom verlorenen Sohn und offenbart uns eindrucksvoll, wie groß die barmherzige Liebe Gottes mit den reumütigen Sündern ist.

Das ist auch der Kernpunkt der Botschaft, die Jesus uns gebracht hat: Gottes Erbarmen wendet sich besonders denen zu, die ihn durch ihr Verhalten beleidigen, ihm weh tun mit ihren Sünden, die diese seine Liebe nicht verdient haben, die dieser Liebe gleichsam unfähig und unwürdig sind. Genau diese Menschen will er aus diesem Zustand der Trennung von ihm herausführen, damit sie wieder mit ihm vereint sind. So groß ist seine barmherzige Liebe.

Stellen wir uns einen Menschen vor, dem wir viele Wohltaten erwiesen und ihm viel geholfen haben. Aber er wendet sich dafür von uns ab, er beleidigt uns schwer, fügt uns noch großen Schaden zu und will mit uns nichts mehr zu tun haben. Würden wir einem solchen Menschen noch nachgehen und ihn suchen, damit er sich  doch wieder mit uns versöhnt. Und würden wir ihm dann, wenn er doch sein böses Verhalten einsieht und uns um Verzeihung bittet, von Herzen vergeben, ihm die Missetaten nicht mehr anrechnen und uns über seine Gesinnungsänderung riesig freuen?

So etwas wäre vom menschlichen Standpunkt aus gesehen fast unmöglich. Aber genauso ist Gott in seiner barmherzigen Liebe.

Er selbst ist in Jesus in die Welt gekommen, um den Menschen Gutes zu tun und sie zu retten. Aber was hat er dafür geerntet? Sie haben ihn dafür ans Kreuz geschlagen. Und was hat der Sohn Gottes getan? Hat er etwa zurückgeschlagen? Nein, er hat dies geduldig und aus Liebe zu uns ertragen, bis in den Tod und vom Kreuz aus für seine Feinde gebetet.

Angesichts der Offenbarung dieser barmherzigen Liebe Gottes können wir nicht gleichgültig gegenüber Gott sein, können wir nicht einfach so dahinleben mit unseren Sünden und Fehlern, oder was noch schlimmer ist, in der pharisäischen Meinung leben, wir seinen ohne nennenswerte Sünden. Der heilige Johannes sagt: “Wer sagt, er sei ohne Sünde, der ist ein Lügner.” Und Lügen ist auch eine Sünde.

Und wie traurig steht es um diese selbstgerechten Menschen, die mit einer solchen Lüge leben, die meinen, dass sie zu den Guten gehören, und deshalb auf die “Schlechten und Bösen” herabschauen. Gerade diesen Leuten hat Jesus die drei Gleichnisse erzählt, damit sie die Liebe Gottes begreifen.

 

Den Sinn auf das Himmlische richten

Jesus hat seine Belehrung über die Habgier, die er uns im Evangelium des 18. Sonntags im Jahreskreis (C) gibt, an den Fall einer Erbstreitigkeit angeknüpft. Gerade an Erbstreitigkeiten, wo es um Geld und Besitz geht, für die man ja selber nichts getan hat, da zeigt sich, was Habgier und Neid alles hervorbringen können: nämlich viel Unrecht, Leid und Feindschaft.

Darüber hinaus orientiert die Habsucht die Menschen ganz auf diese Welt und macht sie blind für die geistigen Werte und die unsichtbare Welt Gottes.

Wie dieser Reiche im Beispiel, das Jesus erzählt hat, sieht man nicht mehr die ganze Wirklichkeit und man gibt sich der Vorstellung hin, man könnte in dieser Welt ewig leben. Darum warnt uns Jesus: “Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier.”

Der hl. Paulus zeigt uns in der Lesung dieses Sonntags einen Weg, wie wir diese Habgier überwinden können. Er sagt: “Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische nicht auf das Irdische” (Kol 3,1). Was heißt das nun, dass wir unseren Sinn auf das Himmlische richten?

1) Zuerst bedeutet es, dass wir uns aufrichtig mühen, Gott an die erste Stelle im Leben zu setzen. Der hl. Benedikt sagt: Wir sollen dem Gottesdienst nichts vorziehen. Die Treue zum Gebet, die Liebe zur sonntäglichen heiligen Messe und der regelmäßige Empfang der hl. Beichte soll bei uns an erster Stelle stehen. Das ist für uns nicht immer einfach in einer Welt, die so viele Möglichkeiten bietet, etwas anderes zu wählen und vorzuziehen. Aber wer sich aufrichtig um eine innere Beziehung zu Gott bemüht, der wird erfahren, dass er ein inneres Licht empfängt, das ihn die Dinge der Welt ganz anders sehen lässt.

2) Denn Sinn auf das Himmlische richten heißt weiters, dass wir uns aus Liebe zu Gott in ein gewisses Verzichten einüben, einen Verzicht auf Dinge, die an sich erlaubt und nicht schlecht sind. Es gibt so Vieles in unserem alltäglichen Lebensstil, das wir uns gedankenlos und selbstverständlich leisten, so wie es unsere Wünsche und Neigungen eingeben. Aber ein bewusster Verzicht auf so manche Annehmlichkeiten aus Liebe zu Gott wird uns viel freier und zufriedener machen.

3) Und schließlich richten wir unseren Sinn auf das Himmlische, wenn wir uns bemühen, mit dem, was Gott uns geschenkt hat, mit unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten, den andern Menschen Gutes zu tun, an die Not der anderen Menschen zu denken. Unsere Neigung zur Habsucht wird vor allem geheilt durch die Liebe, durch die selbstlos schenkende Liebe, wenn wir unsere Kräfte, Fähigkeiten und Güter zum Wohl unserer Mitmenschen einsetzen.

Wenn der Herr uns dann einmal aus dieser Welt ruft, wird er zu uns nicht sagen müssen: “Du Narr, wem soll all das gehören, was du angehäuft hast!” Sondern er wird sagen: “Wohlan, du treuer Diener, nimm das Reich in Besitz, geh ein in die Freude deines Herrn.”

 

Maria erbittet uns den Heiligen Geist

In der Apostelgeschichte wird uns berichtet, dass Maria mit den Jüngern im Abendmahlssaal vereint war, als sie auf das Kommen des Heiligen Geistes warteten: “Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern” (Apg 1,14).

Maria hat mit ihrer Fürbitte das Kommen des Heiligen Geistes für die junge Kirche erwirkt, da sie ja als Braut des Heiligen Geistes von Anfang an zutiefst mit ihm verbunden war. Er hat an ihr die größten Wunder gewirkt: ihre unbefleckte Empfängnis und die Menschwerdung des Gottessohnes in ihrem Schoß. Und jetzt, als das Pfingstfest kam, wurde Maria erneut erfüllt vom Heiligen Geist. Welche Bedeutung Pfingsten für Maria hatte, das hat Romano Guardini wunderbar dargestellt:

“Es muss etwas göttlich Großes gewesen sein, als ihr, die ‘alles im Herzen bewahrte’, durch das Licht des Geistes alles klar wurde: der Zusammenhang des Daseins Jesu sich erschloss. Durch die Jahre von Jesu öffentlichem Leben hatte sie in heroischem Glauben die Zuversicht aufrechterhalten müssen; jetzt empfing sie die Antwort, leuchtend und alles lösend.

Man denkt leicht, sie müsse doch von jeher den Herrn verstanden haben, besser als irgend jemand. Menschlich – soweit hier von Menschlichem die Rede sein kann – ohne jeden Zweifel. Historisch gesprochen war niemand wie sie in der Lage, Auskunft über ihn zu geben.

Auf der andern Seite aber steht nicht umsonst im Evangelium, dass sie ‘das Wort nicht verstanden, das er ihnen sagte’. Wahrscheinlich hätte sie ein wirkliches Verstehen gar nicht ertragen können. Der Gang echter Erfahrung des glaubenden und liebenden Lebens ist größer als die Vorwegnahme von Dingen, die in der Führung Gottes erst später ihren Platz haben. Zu erkennen, dass das Kind, der Knabe, der Jüngling, der Mann, der in ihrer Nähe lebte, Sohn Gottes in dem Sinne sei, wie er nach Pfingsten offenbar wurde, hätte sie wohl in einen unerträglichen Zustand versetzt. Jene Sicherheit, ohne die ein mütterliches Dasein nicht möglich ist, wäre verschwunden. Nun aber kann sich, soweit das auf Erden möglich ist, Gottes Geheimnis enthüllen. Sie braucht keinen Schutz gegen die Übergröße mehr. Sie vermag die beiden Sätze: ‘Er ist der Sohn des ewigen Vaters’ und ‘er ist dein Sohn’ zusammenzudenken, ohne daran zu vergehen oder auch nur verwirrt zu werden. Ja, sie erkennt in dieser Einheit den unsäglichen Inhalt ihrer Berufung.”

In einer Familie ist es meist die Mutter, die ihre Kinder daran erinnert, welche Termine sie haben und was zu tun ist, damit sie nichts vergessen. Das tut auch Maria als unsere Mutter in der Kirche. Wenn wir sie lieben, sie verehren, unser Leben ihr weihen und nach ihrem Wunsch den Rosenkranz treu beten, dann wird sie uns den Heilige Geist erbitten und tiefer einführen in die alles überragende Erkenntnis Jesu Christi. Sie wird uns an alles erinnern, was der Herr uns gesagt hat.

 

Geh und sündige nicht mehr!

Die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin (Joh 8), von der wir am 5. Fastensonntag (C) hören, ist ein Spiegelbild dessen, wie wir Menschen im Zustand der Sünde sind. Diese heuchlerische Einstellung der Pharisäer und Schriftgelehrten hat es nicht nur damals gegeben.

Wir haben die Neigung in uns, andere anzuklagen, bloßzustellen und zu beschuldigen. Es werden immer wieder irgendwelche Schuldige ausfindig gemacht und auf den Marktplatz der öffentlichen Meinung gestellt. Das geschieht heute hauptsächlich durch die Medien. Es treten Ankläger und selbsternannte Richter auf, und mit dem Schein von Gerechtigkeit werden diese so genannten Sünder der öffentlichen Kritik und der Verurteilung ausgeliefert. So werden die einen zu Sündenböcken, die an allem schuld sind, während die anderen als die Guten und Unschuldigen dastehen, die es nicht als nötig sehen, sich an die eigen Brust zu klopfen und um Gottes Erbarmen zu bitten.

Aber wie ist nun das Verhalten Gottes gegenüber dem Sünder, wie es Jesus uns offenbart? Zuerst sagt Jesus von sich: “Ich bin nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten.” Er ist gekommen, die verlorenen Sünder, die von Rechts wegen mit dem Tod bestraft werden müssten, noch zur Umkehr zu bewegen. Denn Gott will nicht den Tod des Schuldigen, sondern dass er umkehrt und lebt (Ez 33,11).

Denn wenn wir Jesus begegnen, werden wir mit der Wahrheit konfrontiert, da sehen wir, wie es wirklich um uns steht, wie wir vor Gott sind. Aber Jesus deckt die Wahrheit auf, nicht um die Menschen zu beschämen, sie bloßzustellen und zu verurteilen, sondern um sie zur Umkehr zu bewegen, zu heilen und zu erlösen.

Und so sehen wir es auch in der Begegnung Jesu mit der Frau, die man ihm vorgeführt hat. Jesus stellt keinen Moment lang in Frage, dass Ehebruch eine Sünde ist. Er stellt nicht einmal das Gesetz in Frage, das die Steinigung verlangt. Aber er sagt zu ihr: “Ich verurteile dich nicht.” Und nach dieser Zusage spricht Jesus die Frau auf ihre Verfehlung an. “Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr!”

Jesus zeigt uns deutlich, dass jetzt noch nicht die Zeit gekommen ist, da wir endgültig gerichtet werden, jetzt ist noch die Zeit der Gnade und der Barmherzigkeit. Ja, wie groß seine Barmherzigkeit mit uns ist, sehen wir noch daran: Er, der über das Vergehen dieser Frau wirklich richten hätte können, der wirklich den ersten Stein hätte werfen können, weil er sündenlos war, er nimmt es noch auf sich, dass er sich von dieser Welt richten und verurteilen lässt, dass er sich mit dem Tod bestrafen lässt, als hätte er alles verbrochen, was in dieser Welt an Bösem geschieht, als wäre er der schlimmste Übeltäter dieser Welt, der beseitigt werden muss. Der hl. Paulus sagt: Verachtest du etwa den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass Gottes Güte dich zur Umkehr treibt? (Röm 2,4).

 

Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade

Im Evangelium des 3. und 4. Sonntags im Jahreskreis (C) hören wir vom ersten öffentlichen Auftreten Jesu in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazaret. Jesus liest aus dem Buch Jesaja die Verheißung: “Der Geist des Herrn ruht auf mir … Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe … und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.” Und Jesus gibt den Leuten zu verstehen: “Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt” (Lk 4,21) Zuerst staunen die Menschen über seine Worte. Doch als er ihnen zu verstehen gibt, dass es für sie um den Glauben an ihn und die Bekehrung zu Gott geht, da werfen sie ihn aus der Stadt hinaus. Sie haben die Gnadenzeit, die jetzt für sie gekommen war, nicht angenommen.

Das war die große Herausforderung des Glaubens für die Leute damals, aber das ist sie auch für uns. Denn auch wir sind hier, jetzt und heute aufgerufen zum Glauben und zur Bekehrung.

Das Heute, das Jesus damals ausgesprochen hat, hat bleibende Gültigkeit. Das will der hl. Lukas uns besonders vor Augen stellen.
Mit diesem “Heute” haben wir auch eine Eigentümlichkeit des Lukasevangeliums vor uns. Nur bei Lukas finden sich diese Heute-Aussagen, mit denen er die Gegenwart der Erlösung aufzeigen will:

Dieses Heute erklang zum ersten Mal auf den Fluren von Bethlehem aus dem Mund der Engel: “Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren” (Lk 2,11). Oder denken wir an die Bekehrung des Zöllners Zachäus in Jericho. Jesus sagte zu ihm: “Heute muss ich in deinem Hause Einkehr halten!” (Lk 19,5).  “Heute ist diesem Haus Heil widerfahren!” Im Gleichnis vom verlorenen Sohn sagt der Vater: “Heute müssen wir ein Fest feiern und uns freuen…” Am Kreuz spricht Jesus zum rechten Schächer: “Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!” (Lk 23, 43). Dieses Heute gilt nun immer, tagtäglich neu wird uns die Gnade Gottes durch Jesus Christus und seine Kirche angeboten.

Jesus ist nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten und ein Gnadenjahr auszurufen. Das Gericht wird erst zuletzt kommen am Ende unserer eigenen Zeit und am Ende der Weltzeit. Deshalb sagt der hl. Paulus: “Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade” (2.Kor 6,2), die wir aus Gottes Hand annehmen dürfen und nützen sollen, denn irgendwann ist diese Zeit vorbei.

Die Bewohner von Nazaret haben dieses Heute der Gnade Gottes nicht angenommen und Jesus hinausgeworfen. Aber der hl. Lukas stellt uns die Hirten vor Augen, die nach Bethlehem geeilt sind, dann den Zachäus, der sich bekehrt hat, den verlorenen Sohn, der zum Vater zurückgekehrt ist, und den rechten Schächer, der in seinem Kreuzesleiden auf Jesus vertraut hat.

Der hl. Pater Pio gibt uns zu bedenken: “Auch für uns kommt einmal die letzte Stunde, wo unser Herz zu schlagen aufhört und alles für uns beendet ist: die Zeit, Verdienste zu erwerben und die Zeit zu sündigen. So wie der Tod uns finden wird, so wird er uns Christus dem Richter vorführen. Unser Schrei um Erbarmen, unsere Tränen, unser Reueschmerz, der uns in unserem Leben das Herz Gottes erobert und uns durch die Sakramente aus Sündern zu Heiligen gemacht hätte, kann uns nichts mehr nützen. Die Zeit der Barmherzigkeit ist vorüber, nun hat die Zeit der Gerechtigkeit begonnen.”

 

Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde

Am 33. Sonntag im Jahreskreis und am 1. Adventsonntag hören wir im Evangelium Abschnitte aus den Reden Jesu über die Endzeit. Er spricht von seinem Wiederkommen in Herrlichkeit zum Gericht und von den apokalyptischen Ereignissen, die dem vorausgehen. Jesus will uns damit vor allem zwei Wahrheiten einprägen:
1) Es gibt ein Gericht, es gibt die Gerechtigkeit Gottes, die sich  endgültig gegen alle bösen Mächte durchsetzen wird, und
2) Gott ist es, der die Welt mit seiner gütigen und weisen Vorsehung lenkt und uns durch alle Nöte dieser Welt zur ewigen Vollendung führt.

Deshalb ist es für uns als gläubige Menschen wichtig, dass wir ganz im Glauben und im Vertrauen auf die Vorsehung Gottes leben, aber zugleich auch wachsam bleiben, damit wir die Zeichen der Zeit erkennen, nicht falschen Heilsversprechungen nachlaufen und uns durch das, was auf uns zukommt, nicht in Angst und Verwirrung bringen lassen.

Aber was können wir tun, damit unser Glaube größer wird? Das Wichtigste ist sicherlich das Gebet um den Heiligen Geist. Vieles liegt ja an der Sichtweise, wie wir die Dinge innerlich sehen.

Zur Zeit des hl. Gregors des Großen gingen die Stürme der Völkerwanderung und der Zerstörung der alten Kultur über das Abendland hinweg. Für die Menschen der damaligen Zeit war dies eine so große Katastrophe, dass viele in Verwirrung und Panik gerieten und schon den Weltuntergang erwarteten. Deshalb hat der hl. Gregor in das Gebet nach dem Vaterunser in der heiligen Messe ausdrücklich die Bitte um die Bewahrung vor Verwirrung hinzugefügt. “Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.”

Der Heilige Geist hilft uns, die Augen unserer Seele nicht so sehr auf die Widerwärtigkeiten zu richten, die wir zu erdulden haben, sondern vielmehr auf das Gute, das die göttliche Vorsehung damit hervorbringen will. Natürlich werden wir nicht immer gleich einsehen, wozu es gut ist, aber wir können daran glauben, dass Gott es weiß.

Ein Kapitän erzählte, dass er mit seinem Schiff in der Nähe der Goldküste (Westafrika) vor Anker gehen wollte. Aber vom Hafen aus kam das Signal: Sofort in den Hafen einkehren! Gefahr! Der Kapitän ließ den Anker einziehen und suchte den schützenden Hafen auf. Dort angekommen, fragte er, warum er nicht draußen vor Anker bleiben durfte. Die Antwort war: Dort draußen ist fauler Grund. Wenn ein Sturm kommt, hält der Anker nicht. Das Schiff könnte leicht an den Felsen zerschellen.

Nicht die Welt kann uns mit ihren Versprechungen Schutz und festen Halt bieten. Wenn wir aber unser Herz immer wieder im Gebet beim Herrn verankert halten, dann geraten wir nicht in heillose Verwirrung, wenn die Stürme kommen. Der hl. Paulus sagt, dass Gott jenen, die ihn lieben, alles zum Guten gereichen lässt.

 

Sogleich öffneten sich seine Ohren

Mit den Wort “Effata” – öffne dich – hat Jesus die Ohren und den Mund eines Taubstummen berührt und geheilt. Davon hören wir im Evangelium zum 23. Sonntag im Jahreskreis (B). Bei der Feier der Taufe gibt es den sogenannten Effata-Ritus, der uns daran erinnert, dass Gott uns durch die Taufe die Ohren und den Mund geöffnet hat, damit wir auf sein Wort hören und uns zu ihm bekennen. Aber was im Sakrament an uns geschehen ist, soll auch im Leben verwirklicht werden.

Leider gibt es in unserer Zeit so viele Getaufte, die geistlich gesehen taubstumm geblieben oder geworden sind, wie der Prophet Jesaia schon zu seiner Zeit gesagt hat: die hören können und doch nicht hören, die reden können und doch stumm sind.

Die geistliche Taubheit besteht darin, dass man die Wahrheit des Glaubens und die Stimme Gottes, die zu uns im Gewissen und im Herzen spricht, nicht mehr hören kann, dass man das geistige Ohr verschließt.

Diese Art der Taubheit hat gewöhnlich auch das Stummsein zur Folge: Es besteht in der Vernachlässigung des Gebetes. Aus dem Mund des Stummen kommt keine Bitte um die Hilfe Gottes und kein Dank für empfangene Wohltaten.  Er ist auch nicht mehr imstande oder nicht mehr gewillt, sein Sünden in der heiligen Beichte zu bekennen, um die Verzeihung zu erlangen. Wer sein geistliches Ohr für den den Glauben verschließt, wird also die Sprache des Gebetes nicht gebrauchen, der kann auch nicht wirklich richtig erlösend reden und bekennen, was in seinem Herzen an Schuld verborgen ist. Es ist ein schlimmer geistlicher Zustand, wenn also ein Mensch in seiner Seele taubstumm ist. Gläubige Eltern machen oft die Erfahrung, dass ihre Kinder, die sich vom Glauben abgewendet haben, einfach nicht mehr auf das hören, was sie über den Glauben sagen. Sie sind einfach taub. Das Wort Gottes kann nicht mehr in ihre Seele eindringen.

Aber was können wir tun? Das heutige Evangelium zeigt uns hier den Weg. Dieser Taubstumme wäre damals wohl nie von selber zu Jesus gekommen, um ihn um Hilfe zu bitten, er konnte ja nichts über Jesus hören. So mussten ihn die anderen zu Jesus bringen und Jesus um Hilfe und Heilung bitten.

Genau das ist auch unsere Aufgabe. Jene, die geistlich taub und stumm sind, bemerken ihr eigenes Elend nicht und es hilft nicht, ihnen zuzureden, ihnen etwas vom Glauben, von den Geboten Gottes  zu sagen, sie hören die Worte doch nicht.

Aber wenn wir sie einerseits durch unser inständiges Gebet zum Herrn bringen und sie andererseits voll Glauben vielleicht zu einer Wallfahrt, zu einer guten Glaubensveranstaltung, zu Exerzitien, zu einem Abend der Barmherzigkeit, zu einer hl. Messe, zur Anbetung … einladen und mitnehmen, dann bieten wir dem Herrn die Gelegenheit, dass er sie in ihrem Herzen berühre und ihnen die Ohren öffne  .

 

Kreuzerhöhung

Am 14. September feiern wir das Fest Kreuzerhöhung, das uns an die Auffindung des Kreuzesholzes Jesu in Jerusalem erinnert. Der hl. Paulus hat sehr tief erkannt, dass das Kreuz Christi unsere Rettung ist: “Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2). Eine Geschichte aus der griechischen Mythologie, die auch die Kirchenväter auf Christus hin gedeutet  haben, zeigt uns, warum wir uns an das Kreuz Christi binden sollen.

Der Dichter Homer hat in seinem Buch der “Odyssee” die zehnjährige Irrfahrt des Helden Odysseus auf der Heimreise noch Griechenland geschildert. Er kam auf seiner Fahrt auch zu den Inseln der Sirenen. Die Sirenen faszinierten mit ihren verführerischen Stimmen die Seeleute so sehr, dass diese ihren Kurs verließen, um jenen herrlichen Stimmen zu folgen. Aber der neue Kurs war tödlich, denn die Schiffe zerschellten dann an den Klippen. Um an der Gefahr der Sirenen vorbeizukommen, ließ Odysseus seinen Gefährten die Ohren mit Wachs verstopfen und er selbst ließ sich an den Mastbaum binden, damit er nicht von den verführerischen Stimmen weggelockt werden konnte. So entkamen er und seine Gefährten der unwiderstehlichen Versuchung und sie überlebten.

Auch wir sind auf der Fahrt unseres Lebens von manchen Stimmen und Verführungen bedroht. In den gefährlichen Fahrwassern unserer Zeit müssen wir den richtigen Kurs halten und dürfen nicht ins Verderben abweichen. Aber dazu müssen wir einerseits die Ohren verschließen gegen die verlockenden Lügen dieser Welt und uns auch anbinden lassen an das Kreuz Christi, indem wir der Berufung, die uns Gott gegeben hat, treu bleiben. Wenn wir uns an die Liebe Jesu Christi, an sein Kreuz, binden, sind wir wirklich frei und unabhängig von allen anderen Stimmen. An den gekreuzigten Herrn gebunden zu sein, das ist die Freiheit des Lebens.

 

Die verklärende Kraft des Gebetes

Am 6. August feiern wir das Fest der Verklärung des Herrn. Jesus hat durch seine Verklärung auf dem Berg Tabor den Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes seine verborgene Auferstehungsherrlichkeit geoffenbart. Er wollte sie damit auf sein Leiden und Sterben vorbereiten, damit sie, wenn sie Jesus am Kreuz sehen, nicht irre werden im Glauben an seine Macht und Gottheit.

Was Jesus damals mit diesen drei Jüngern getan hat, das will der Herr auch heute mit uns tun. Er möchte uns zu einer neuen Sichtweise führen, in der wir die herrliche Gegenwart Gottes erkennen, die hinter dieser sichtbaren Welt verborgen ist und an die Auferstehung glauben. Es kommt in unserem Leben sehr darauf an, wie wir die Dinge sehen, in welchem Licht wir vor allem die Kreuze und Leiden sehen, damit wir nicht im Glauben an die Liebe Gottes irre werden. Die Verklärung auf dem Berg zeigt uns, wie wir zu dieser geistlichen Schau der Herrlichkeit Christi gelangen.

Das Erste ist die Übung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Das ist mit den drei Aposteln angedeutet, die Jesus auf den Berg mitgenommen hat. Petrus verkörpert den Glauben; Jakobus die Hoffnung, da er als erster der Apostel das Martyrium erlitten hat; Johannes stellt die Liebe dar.

Das Zweite ist die Sammlung des Herzens. Es heißt: “Jesus nahm sie beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten.” Wir müssen unsere Seele von Christus auf diesen einsamen Berg des Gebetes führen lassen. Die Welt gaukelt uns so vieles vor. Man muss immer wieder versuchen, sich von allen möglichen Ablenkungen loszulösen, um zum Gebet zu kommen. Ein Besuch beim Allerheiligsten in der Kirche könnte für uns dieser Taborberg sein.
Ein Drittes: Es heißt im Lukasevangelium ausdrücklich, dass die Verklärung des Herrn geschah, während er betete. Im Gebet liegt also die wesentliche Kraft, durch die wir zu einer tieferen Sicht des Lebens gelangen. Denn durch das Gebet wird uns die Gnade des Himmels mitgeteilt. Echtes Gebet ist in einer bestimmten Weise immer eine Verklärung des Geistes, eine Anteilnahme an der Auferstehung des Herrn. Der heilige Franz von Sales sagt: “Das Gebet stellt unseren Geist in die Helle des göttlichen Lichtes und unseren Willen in die Wärme der göttlichen Liebe. Darum gibt es nichts, was so geeignet wäre, den Geist von seiner Blindheit und den Willen von seinen schlechten Neigungen zu reinigen wie das Gebet. Menschen, die sich von Christus auf den Berg der Verklärung führen lassen, haben einen anderen Blick auf diese Welt, weil sie gelernt haben, alles im Lichte Gottes und in der Kraft seiner Auferstehung zu sehen. Und das verändert und wandelt vieles: zuerst sie selbst und dann auch die anderen.

 

Sie verharrten einmütig im Gebet

Von der Zeit zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten heißt es in der Apostelgeschichte: “Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu und mit seinen Brüdern” (Apg 1,14). Es war die erste Pfingstnovene, die die Kirche gebetet hat. Es war ein äußerst fruchtbares und wirkungsvolles Gebet, das den Lauf der Welt gänzlich verändert hat.

Der Heilige Geist ist an Pfingsten auf sie herabgekommen. Und schon am Pfingsttag haben sich auf die Predigt des Petrus hin tausende zum Glauben an Christus bekehrt. Und von da an hat sich die Kirche unaufhörlich ausgebreitet. Das Gebet der Jünger im Abendmahlssaal war nicht vergeblich. Es hat wahrhaft Großes bewirkt. Es hat die Welt verändert.

Wenn wir an unser Leben denken und den Lauf unserer Zeit, dann kommt uns vielleicht die Frage, ob der Heilige Geist auch heute solche Dinge bewirket, wie sie am Anfang der Kirche geschehen sind. Und es war für uns vielleicht fraglich, ob das Beten überhaupt etwas nützt, und ob man durch das Gebet etwas im Lauf der Welt verändern kann.

Aber wenn wir den Sinn und die Wirkung des Betens tiefer verstehen wollen, kann uns das Vorbild der Kirche im Abendmahlssaal helfen. Hier müssten wir einige Dinge betrachten.

1) Als erstes fällt uns auf, dass durch das Gebet die Welt nicht zuerst draußen verändert wurde, sondern drinnen im Herzen der Jünger, dort hat der Heilige Geist zuerst gewirkt. Wir möchten oft gerne haben, dass Gott die Menschen, die Situationen, die Welt ändert, aber wir selber möchten so bleiben wie wir sind. Der Heilige Geist möchte  aber bei uns selber anfangen, wenn wir ihn wirken lassen.

2) Diese Änderung der Welt ist aber nicht ein Werk das wir alleine schaffen. Deshalb war damals im Obergemach von Jerusalem auch die ganze junge Kirche versammelt und betete gemeinsam. Der heilige Lukas sagt sogar noch mehr: sie beteten “einmütig”. Das heißt, sie hatten untereinander alle Differenzen und Unstimmigkeiten ausgeräumt. Ohne die Gemeinschaft der Kirche, ohne die Einmütigkeit im Glauben und in der Liebe, wirkt der Heilige Geist nicht. Am Pfingsttag traten sie an die Öffentlichkeit als Menschen, die ganz von der Gnade Christi ergriffen sind, die aber auch untereinander eins geworden sind und so legen sie Zeugnis ab für das Gnadenwirken Gottes.

3) Und ein Drittes müssen wir beachten, damit das Gebet um den Heiligen Geist reiche Frucht bringt. Es ist die Einheit mit Maria. Die junge Kirche hat die Einheit mit ihr gesucht, weil sie dem Herrn und dem Wirken des Heiligsten Geistes am nächsten war und weil ihre Fürbitte die größte Macht bei Gott hat.

Das Gebet hat damals die Herzen der Jünger verändert und damit den Lauf der Welt. Auch unser Gebet um den Heiligen Geist wird nicht fruchtlos bleiben.