Dieses Bild ist eine so genannte “Illumination” (eine Illustration, die eine Handschrift schmückt) aus der Bible Moraliseé, die zwischen 1225-1249 in Paris hergestellt wurde und heute in Wien ist. In der ersten Szene sehen wir, wie Gott der Vater Eva aus der Seite des schlafenden Adam für ihn als Braut erschafft. Die Hände Evas sind leer, in Anbetung zu Gott erhoben. In der unteren Szene sieht man, wie Gott Vater die Kirche als neue Eva und Braut aus der Seite Jesu Christi, des neuen Adams, erschafft, nachdem Christus am Kreuz entschlafen ist. Aus der Seite Christi flossen das Wasser der Taufe und das kostbare Blut der Eucharistie, das die Braut im Kelch in ihren Händen hält und damit dem Vater opfert. Rechts im Bild sind die Nachkommen des neuen Adams und der neuen Eva zu sehen, die Heiligen: Augustinus (mit Mitra), Benedikt, Dominikus und Franziskus. Treffender kann man das Geheimnis von Schöpfung und Neuschöpfung durch die Erlösung nicht darstellen.
Geistliches Leben
Der letzte Platz
Der Sohn Gottes hat bei seiner Geburt im Stall von Bethlehem den letzten Platz in dieser Welt eingenommen. Er, der allmächtige Gott, kommt ohnmächtig und klein zu uns, um uns durch die Liebe zu gewinne. Die hl. Theresia von Lisieux sagt deshalb:
“Suchen wir niemals, was in den Augen der Geschöpfe groß erscheint… Das Einzige, worauf keiner neidisch ist, ist der letzte Platz. Allein dieser letzte Platz ist frei von Eitelkeit und Betrübnis des Geistes … Jedoch: “Der Weg des Menschen liegt nicht in seiner Macht” (Jer 10,23), und manchmal überraschen wir uns selbst dabei, dass wir das ersehnen, was glänzt. Dann sollten wir uns demütig unter die Unvollkommenen einreihen. Halten wir uns für kleine Seelen, die Gott in jedem Augenblick stützen muss. Sobald er sieht, dass wir von unserem Nichts wirklich überzeugt sind, reicht er uns die Hand. Wollten wir noch versuchen, irgendwelche großen Dinge zu unternehmen, selbst unter dem Vorwand des Eifers, so lässt uns Jesus allein. … Ja, es genügt, sich zu demütigen und seine Unvollkommenheiten mit Liebe zu ertragen. Darin besteht die wahre Heiligkeit! Nehmen wir uns bei der Hand … und eilen wir zum letzten Platz … Niemand wird sich melden, um uns diesen Platz streitig zu machen.
Die wirksamste Waffe
P. Pio, der oft “ein lebendiger Rosenkranz” genannt wurde, schrieb seinem geistlichen Vater: “Die Macht des Teufels, der mich bekämpft, ist furchtbar.” In diesem Kampf war der Rosenkranz, den er ununterbrochen betete, seine wirksamste “Waffe”. In diesem Zusammenhang erzählte P. Pio einmal einen Traum: “Eines Abends war ich im Chor und betete, als ich durch laute Schreie gestört wurde. Sie kamen vom Kirchplatz herüber. Ich ging zum Fenster und sah draußen eine johlende Menge ganz außer sich, die schrie: ‘Nieder mit Jesus! Nieder mit P. Pio!’ Daraufhin zog ich mich zurück und sprach mit der Gottesmutter darüber. Sie gab mir eine kleine Waffe, ganz klein, so klein, dass man sie sogar in den Haaren hätte verstecken können. Ich ging zurück zum Fenster und zeigte meine Waffe und ließ sie vor der Menge hin und her baumeln. Da fielen alle wie ohnmächtig zu Boden. Ich aber begab mich zum Gebet, und nach einer Weile hörte ich von neuem Stimmen vom Platz herüber. Wieder ging ich zum Fenster und sah eine ungeheure Menschenmenge. Da rief ich ganz laut: ‘Wer seid ihr?’ Und sie schrien: ‘Es lebe Jesus! Es lebe die Gottesmutter! Es lebe P. Pio!’ – ‘Ach, ihr seid meine geistigen Kinder’, erwiderte ich. ‘Betet also immer den Rosenkranz, und niemand wird euch auch nur ein Haar krümmen können.'” Wenn P. Pio beim Zubettgehen einmal nicht gleich einen seiner Rosenkränze fand, die er unter dem Kopfkissen und an anderen Orten deponiert hatte, wandte er sich stets heiter mit folgenden Worten an seinen Mitbruder P. Onorato, der ihm in den letzten vier Lebensjahren beistand: “Gib mir die Waffe … mit der man die Schlachten gewinnt!” Am Vorabend seines Heimganges trug P. Pio seinen geistigen Kindern wie als Testament auf: “Liebt die Gottesmutter und sorgt dafür, dass sie geliebt wird. Betet immer den Rosenkranz!”
Wenn auch nur ein katholischer Christ noch übrig sei
Die große Mystikerin Anna Katharina Emmerich beschreibt in einer ihrer Visionen vom 20.10.1820 anschaulich den traurigen Zustand der Kirche, wie wir ihn auch heute erleben können. Aber durch Gebet, Leiden und Opfer in Einheit mit dem Herrn wird die Kirche auferbaut:
“Als ich die Peterskirche in ihrem abgebrochenen Zustande sah und wie so viele Geistliche auch an dem Werk der Zerstörung arbeiteten, ohne dass es einer vor dem andern öffentlich wollte getan haben, da empfand ich solche Betrübnis darüber, dass ich heftig zu Jesus schrie, er solle sich erbarmen. Und ich sah meinen himmlischen Bräutigam vor mir wie einen Jüngling, und er sprach lange mit mir. Er sagte auch, dieses Wegtragen der Kirche bedeute, dass sie scheinbar ganz sinken werde; dass sie aber auf diesen Trägern ruhe und aus ihnen wieder hervorgehen werde; wenn auch nur ein katholischer Christ noch übrig sei, könne die Kirche wieder siegen, denn sie sei nicht im Verstande und Rate der Menschen gegründet. Er zeigte mir nun, wie es nie an Betern und Leidenden für die Kirche gefehlt.
Er zeigte mir alles, was er für die Kirche gelitten, und wie er den Verdiensten und Arbeiten der Märtyrer Kraft gegeben und wie er nochmals alles leiden würde, so er noch leiden könnte.Er zeigte mir auch in unzähligen Bildern das ganze elende Treiben der Christen und Geistlichen in immer weiteren und weiteren Kreisen durch die ganze Welt bis zu meiner Heimat und ermahnte mich zu ausharrendem Gebet und Leiden. Es war dieses ein unbeschreiblich großes, trauriges Bild, das nicht auszusprechen ist. Es wurde mir auch gezeigt, dass schier keine Christen im alten Sinne mehr da sind. Ich bin sehr betrübt durch dieses Bild.”
Beständig auf Gottes Wegen bleiben
Der französischer Priester und Theologe Louis Lallemant S.J. (1578 – 1635), der die ignatianische Lehre von der Unterscheidung der Geister vertieft und entfaltet hat, schreibt über den geistlichen Fortschritt, zu dem wir berufen sind, und über die innere Führung des Heiligen Geistes, der wir uns anvertrauen sollten:
“Auf dem Weg zu Gott geht der zurück, der nicht voranschreitet. Wie das Kind, das nicht wächst, nicht ein Kind bleibt, sondern ein Zwerg wird, so bleibt der Anfänger, der nicht rechtzeitig auf den Weg der Fortschreitenden gelangt, kein Anfänger, sondern eine zurückgebliebene Seele.
Ach, es scheint fast so, dass die große Mehrzahl der Menschen sich in der Gruppe der zurückgebliebenen Seelen befindet.”
“Man kann wahrhaftig sagen, dass es nur sehr wenig Menschen gibt, die beständig auf Gottes Wegen bleiben. Manche weichen in einem fort davon ab; der Hl. Geist ruft sie zurück in seinen Einsprechungen; da sie aber unfolgsam sind, von sich selber erfüllt, an ihre Meinung gekettet, von ihrer eigenen Weisheit aufgeblasen, lassen sie sich nicht leicht führen, betreten nur selten den Weg des göttlichen Willens und bleiben kaum darauf, sondern kehren zu ihren eignen Erfindungen und Gedanken zurück, die ihnen Ersatz bieten. So schreiten sie nicht viel voran und werden vom Tod überrascht, bevor sie zwanzig Schritte getan haben, wo sie doch zehntausend hätten tun können, wenn sie sich der Führung des Hl. Geistes überlassen hätten.
Wahrhaft innerliche Menschen dagegen, die sich vom Licht des Geistes Gottes leiten lassen, für das sie sich in der Reinigung des Herzens bereit gemacht haben und dem sie mit vollkommener Ergebung folgen, schreiten mit Riesenschritten voran und fliegen sozusagen auf den Wegen der Gnade.”
Selig, die reinen Herzens sind
Ein junger Matrose, der sich offen zu seinem Glauben an Gott bekannte, wurde deshalb gehänselt und verspottet. Eines Tages, die Mannschaft war an Deck, suchte der Kapitän mit seinem Fernrohr den Himmel ab und sagte enttäuscht: “Hör mal, mein Junge, jetzt habe ich den ganzen Himmel angeschaut, aber deinen Gott habe ich nicht gefunden.” Gelächter. Ruhig antwortete der Schiffsjunge: “Das wundert mich nicht, denn Jesus hat gesagt: ‘Selig, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.'”
Es geht um das reine Herz. Jesus hat sehr deutlich darauf hingewiesen, was den Menschen unrein macht: “Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein (Mk 7,21ff).
Das Streben nach Keuschheit ist schon ein wesentlicher Teil der Reinheit des Herzens. Der hl. Franz von Sales sagt: “Die Keuschheit hat ihren Ursprung im Herzen, ihren Sitz jedoch im Leib. Also kann man sie verlieren sowohl durch die Sinne des Leibes wie auch durch Gedanken und Begierden des Herzens. Es ist unschamhaft, Unanständiges anzusehen, anzuhören, zu sprechen, zu beriechen, zu berühren, wenn das Herz sich damit beschäftigt und Gefallen daran findet. Der hl. Paulus sagt ganz kurz: Unreines soll unter euch nicht einmal erwähnt werden (Eph 5,3). Die Bienen vermeiden nicht nur, ein Aas zu berühren, sondern sie fliehen und verabscheuen auch den Gestank, den es ausströmt.”
Aber Versuchungen sind noch keine Sünde. Die hl. Katharina von Siena (geb. 1347) zog sich zum Gebet zurück, wurde aber von Lästergedanken und unreinen Anfechtungen geplagt. Als diese Anfechtungen nachgelassen hatten, fragte sie Gott: “Herr, wo warst du in dieser Zeit?” “In deinem Herzen.” “O Herr, wie soll ich das glauben, mein Herz war voller unreiner Gedanken.” “Hattest du Freude daran?” “Nein, ich war tief betrübt.” “Siehst du, nur weil ich in deinem Herzen war, konntest du darüber traurig sein…”
Gestärkt zum guten Kampf durch den Heiligen Geist
Wir haben den Heiligen Geist in der Taufe und Firmung empfangen. Sein Kommen führt uns aber in einen geistlichen guten Kampf, da das Herz zwischen Gut und Böse hin- und hergerissen ist. Wir lernen dabei, unsere innere Gespaltenheit zu überwinden, damit der Friede Gottes in uns wohne. Die wichtigsten Hilfsmittel sind das Gebet und die heiligen Sakramente, durch die unsere Seele im Guten gestärkt wird. Vielleicht inspiriert vom Heiligen Geist, ohne es zu wissen, erzählte ein alter Cherokee-Indianer seinem Enkel die Geschichte des inneren Kampfes, der sich in der Seele der Menschen abspielt: “Mein Sohn, es gibt einen Kampf zwischen zwei Wölfen in uns allen. Einer ist Böse: Es ist Wut, Neid, Eifersucht, Traurigkeit, Gier, Unzufriedenheit, Lügen, Stolz, Eitelkeit, Hass, Egoismus … . Der andere ist gut: Es ist Freude, Liebe, Hoffnung, Demut, Freundlichkeit, Wohlwollen, Geduld, Wahrheit, Mitgefühl … .” Der Enkel dachte einen Moment lang über diese Geschichte nach und fragte seinen Großvater: “Welcher der beiden Wölfe gewinnt?” Der alte Indianer antwortete einfach: “Der, den du fütterst.”
Güterzug oder Personenzug
Zwei junge Menschen verlieben sich und beschließen zu heiraten. Das Mädchen kommt aus einem sehr reichen Elternhaus. Dort wird der junge Mann zum Abendessen eingeladen und will, wie es früher so üblich war, um die Hand der Tochter bitten. Verlegen steht er den zukünftigen Schwiegereltern gegenüber. Die wohlüberlegten Sätze sind wie weggeblasen. Schließlich spricht er von einem ungeheuren Zug, der ihn zu dem Mädchen zieht, dass der Zug immer stärker geworden ist, dass er jetzt um die Hand der Tochter bitten möchte. Der zukünftige Schwiegervater legt ihm gütig lächelnd die Hand auf die Schulter und fragt: “Dieser Zug von dem Sie da sprechen, ist das ein ‘Güterzug’ oder ein ‘Personenzug’?”
Das ist auch eine Frage, die unsere Beziehung zu Gott betrifft. Haben wir zu ihm eher einen ‘Güterzug’, weil wir uns von ihm seine Güter und Hilfen erwarten, weil er für uns ein Wünscheerfüller ist? Oder ist Gott für uns unser Herr und Vater, Freund und Vertrauter und unsere Beziehung zu ihm ein ‘Personenzug’? Gott beschenkt uns wahrlich überreich mit seinen Gaben und Gnaden. “Und was hast du, das du nicht empfangen hättest?”, sagt der hl. Paulus (1Kor 4,7). Aber haben wir auch eine ganz persönliche Beziehung zu ihm? Lieben wir ihn um seiner selbst willen, auch dann, wenn er uns seine Güter und Hilfen nicht in dem Maß und in der Weise gewährt, wie wir es wünschten? Der Sohn Gottes ist in Jesus Christus Mensch geworden und hat aus Liebe zu jedem von uns unsere Schuld getragen und Leiden und Tod auf sich genommen. Darum fragt er uns, wie damals den Petrus: “Liebst du mich mehr als diese?”
Jesus aber schwieg
Alle Evangelien berichten von dem Schweigen des Herrn, als er vor den Gerichten dieser Welt stand. Reinhold Schneider schreibt darüber:
»Im Schweigen ist eine große Macht. Vorwürfe, Verleumdungen, Verdächtigungen, die unbeantwortet bleiben, fallen auf den Sprecher zurück. Die Worte der Verfolger an den Herrn bleiben gleichsam in der Luft, in der unheimlichen Leere, in der sie das Schweigen Christi festgebannt hat. Sie werden immer fragwürdiger, immer belastender, untragbarer für ihre Urheber. Mit dem, an den sie gerichtet sind, haben sie, wie all die törichten oder feindseligen Fragen, nichts zu tun. Sie sind Selbstenthüllungen derer, die sie vorbrachten. Sie sind wesenlos für den, auf den sie gezielt waren. Es ist eine seltsame Erfahrung, dass dem in Geduld Schweigenden das Recht sich zuneigt, während der andere den Worten überlassen bleibt, die er sprach. Thomas à Kempis bemerkt einmal: “Keiner tritt sicher in die Öffentlichkeit, der nicht die Verborgenheit liebt.” Diese Sicherheit war Christus in hohem Maße eigen. Sie muss in einem gewissen Maß einem jeden eigen werden. Sie wird es freilich nur dann, “wenn wir,” wie Thomas à Kempis sagt, “ohne Befleckung des Gewissens zum Schweigen zurückkehren können.” Im Schweigen liegt eine die Persönlichkeit in sich selber bildende, zugleich eine die andern formende Kraft. Das Schweigen ist sehr oft die Antwort der Wahrheit.«
Wir kleben fest an unserem alten Ich
Der sel. Kardinal Newman sagt:
“Was ist es also, das uns, die wir religiös sind, fehlt? Ich wiederhole, es ist folgendes: eine Bereitschaft, uns ändern zu lassen, eine Bereitschaft, es hinzunehmen, dass Gott uns ändert. Wir geben das alte Ich nicht gerne auf; denn ganz oder teilweise kleben wir fest an unserem alten Ich, obwohl uns alles frei angeboten ist. Auch wenn wir die Zusicherung hätten, dass die Änderung überhaupt keine Mühe miteinschließt, auch wenn es keine Selbstverleugnung, keine Anstrengung dabei gäbe, es würde sich nichts daran ändern. Wir möchten nicht neugeschaffen werden; wir schrecken davor zurück; es wirft uns aus allen unseren natürlichen Bahnen, aus allem, was uns vertraut ist. Wir verspüren, dass wir nicht mehr wir selbst bleiben, wenn wir nicht einen Teil dessen bewahren, was wir bisher gewesen sind; und wie sehr wir auch in allgemeinen Worten vorgeben, dass wir geändert werden möchten: wenn es darauf ankommt, wenn die Einzelheiten der Änderung uns vor Augen gestellt werden, schrecken wir vor ihnen zurück und sind es zufrieden, zu bleiben wie bisher.”