Haiti – Hoffnung aus der Asche

Die Hauptstadt von Haiti, Port-au-Prince, wurde am 12. Jänner 2010 von einem schweren Erdbeben fast vollständig zerstört. Von den 1,3 Millionen Einwohnern sind nach letzten Schätzungen etwa 300.000 ums Leben gekommen und eine große Zahl schwer verletzt worden. Die katholische Hilfsorganisation „Kirche in Not“ hat einen berührenden Augenzeugenbericht eines Priesters veröffentliche, der nach Haiti gereist war, um dort zu helfen. Hier einige Abschnitte aus seinem Bericht vom 1. März 2010:

In Port-au-Prince gibt es auch jetzt, mehr als einen Monat nach dem Erdbeben, kaum Hilfe. Die Krankenhäuser mit den Schwerkranken stehen unter der Kontrolle der US-Amerikaner und der UNO, wie eigentlich die ganze Stadt.

Doch außerhalb der Krankenhäuser liefert in der Stadt keiner Essen aus, keiner hilft, den Schutt wegzuräumen, keiner entsorgt den Müll. In Port-au-Prince türmen sich überall Berge von Schmutz. Die Leute leben auf der Straße in provisorischen Zelten aus Besenstielen und Bettwäsche. Fliegen, schlechter Geruch, dreckiges Abwasser am Rande der Bürgersteige. Die Welt muss das sehen und unsere haitianischen Geschwister aus dieser unmenschlichen Situation herausholen. …

Neben den Ruinen der Kathedrale, auf dem großen Vorplatz, ist ein Krankenhaus aus Leinentüchern aufgestellt worden. Das zusammengestürzte Gotteshaus hat einen riesigen Berg der Nächstenliebe und der Menschlichkeit hinterlassen. Alle Leidenden und Verlassenen finden hier Gehör und Hilfe. …
Der erste in einer endlosen Reihe von verstümmelt daliegenden Menschen heißt „Christus“. Ja, das ist sein Name: Christus. Er dürfte etwa 35 Jahre sein und liegt da, wie ein steifes Stück Fleisch, befallen von Tetanus. Und doch hört er nicht auf zu lächeln: „Christus, glaubst du an Gott, hoffst du auf ihn, liebst du ihn?“ „Ja, mon père“, antwortet er. „Ich bin mehr als sicher, dass Er mir das ewige Leben bringen wird.“

„Und wünschst du dir die Beichte und die Krankensalbung?“ „Nichts könnte ich mir mehr wünschen, aber Pater, geben Sie mir auch ein Stück Brot und Salami, ich bin hungrig.“ Christus liegt auf einer Pritsche im Freien, er lächelt und grüßt, ist fast nackt, nur mit einer Windel bekleidet.

Nachdem ich ihm die Krankensalbung gespendet habe, weint er und dankt dem Allmächtigen für das Ewige Leben. Die Ärzte haben gesagt, sein Ende sei nahe. Sie können ihn nicht retten.

Ein paar Betten entfernt liegt Merlin, ein ewiges Lächeln in seinem schwarzen Gesicht. Im ganzen Krankenhaus ist nicht eine einzige Beschwerde zu hören, keine Proteste, kein Zorn über das, was passiert ist. Ich habe noch nie so viel Edelmut gesehen! Vielmehr schwebt im Hintergrund die Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens. Vor dem Priester mit dem Salböl der Kraft und des Trostes sagt Merlin laut: „Danke, Jesus! Du bist zu mir gekommen, um mich zu besuchen. Ich würde das für nichts tauschen, weil ich meinen Herrn gesehen habe.“ Auch Merlin ist verstümmelt und hat Tetanus, am nächsten Tag wird ein anderer Haitianer in seinem Bett liegen. Er starb in meinen Armen. …

Ich könnte viele Geschichten wie diese erzählen. Die Haitianer sind ein großartiges Volk. Sie haben warme Herzen, die sich langsam der Zukunft öffnen. Die Lage ist ernst, kritisch, bitter, aber die Menschen sind Giganten des Glaubens, bewaffnet mit Mut und Hoffnung.

(Quelle: kircheinnot.wordpress.com)