Geheimnis des Leidens

Martin ist 14-jährig gestorben. Von Geburt an körperbehindert, war er seit acht Jahren gelähmt. Er kannte viele Kliniken und Krankenhäuser. Er kannte die Welt der Rollstühle und die Sauerstoffflaschen.

Martin war unerhört geduldig. Wenn es ihn am Knie juckte, konnte er sich dort nicht kratzen. Er musste jemanden bitten, ihn am Knie zu kratzen. Er konnte sich im Bett nicht auf die andere Seite drehen. Wollte er seine Lage verändern, musste er jemanden bitten, ihn herumzudrehen. Martin hatte einen hellen Verstand. Er hatte alles begriffen. Er wusste, was ihm bevorstand. Und genau so, wie wir es immer befürchtet hatten, dass sein Ende einmal sein würde, so war es dann auch.

Sein Sterben war sehr mühsam. Es bestand darin, dass er langsam erstickte. Er litt am Schluss so sehr, dass ich Dich inständig gebeten habe, Herr, sein Leiden abzukürzen, sein Leben zu beenden. Viele haben Dich darum gebeten, Herr, eigentlich alle, die Martin kannten und mochten. Dann endlich hast Du ihn von seinem Leiden erlöst.

Ich frage Dich, Herr, warum musste dieser Junge mit den freundlichen, sanften Augen so lange leiden? Ich frage mich immer wieder, was war der Sinn dieses Lebens und dieses qualvollen Sterbens?

Martin war ein freundlicher Junge, ein liebenswerter Mensch. Er hatte ein gutes Herz, er hatte keine Schuld. Ich will glauben, Herr, dass Du ein guter Gott bist. Dass Du es gut mit uns allen meinst, dass Du alles zu einem guten Ende führen wirst.

Ich verstehe nicht, dass ein Kind einen so schweren Tod sterben muss. Warum sagst Du uns nicht, warum dies alles so sein muss?