Im Evangelium vom 22. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr A kündigt Jesus seinen Jüngern sein Leiden, sein Kreuz und auch seine Auferstehung an. Aber die Jünger verstehen in nicht. Petrus nimmt Jesus sogar beiseite und machte ihm Vorwürfe: „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!“ Jesus aber wendet sich um und sagt zu Petrus: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ Und er schärft den Jüngern noch einmal deutlich die Bedingungen für Zugehörigkeit zu ihm ein: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“
Der Sinn vom Kreuz und Leiden unseres Herrn – und damit auch der Sinn des Kreuzes in unserem Leben – war nicht nur damals schwer verständlich. Es ist auch heute so, wie der hl. Paulus sagt: Die einen halten dieses „Kreuztragen aus Liebe zu Gott“ für eine Dummheit, die anderen für ein Ärgernis, an dem sie Anstoß nehmen.
An zwei Beispielen können wir sehen, was gemeint ist mit jener Kreuzesnachfolge, an der die Welt Anstoß nimmt.
Es geschah in einer Familie: Als die Kinder groß und außer Haus waren, begann der Vater zu trinken. Es gab schlimme Szenen. Seine Frau hatte vieles zu ertragen. Ihre Bekannten haben zu ihr gesagt: Sie solle doch nicht so dumm sein und sich alles gefallen lassen. Sie soll sich doch scheiden lassen. Aber sie sagte: „Was ich damals vor Gott versprochen habe, das kann ich nicht ändern. Ich bin verantwortlich für sein ewiges Heil.“ Und sie hat ihr Kreuz tapfer weiter getragen.
Oder ein anderer Fall: Ein 60-jähriger Mann berichtet in einem Glaubenszeugnis:
Als er mit 30 Jahren mit seiner Braut am Altar stand, da war es ihm bewusst: Dieses Jawort vor Gott gilt fürs ganze Leben. Nach einigen Jahren Ehe ließ sich seine Frau von ihm scheiden und zog mit einem andern davon. Für ihn war klar, dass er nicht mehr heiraten würde. Er sagte über diese Zeit: „Gott weiß um mein seelisches Leid, und ich muss zugeben, dass die Einsamkeit wirklich schrecklich war und oft noch ist. Aber das alles führte mich näher zu Gott.“ Schmerzlich war für ihn: Viele seiner Bekannten und Freunde verstanden nicht, dass er nicht noch einmal heiratete. Er bekam zu spüren, dass sie ihn als abnormal einstuften. Aber er sagt: „Ich kenne die Einsamkeit der Geschiedenen, aber ich habe deswegen Gottes Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe niemals als unmenschliche Härte empfunden. Ich wollte vielmehr bereit sein, diesen Weg, den Gott mir in seiner unverständlichen Weisheit und Liebe gezeigt hat, auch zu gehen.“
Das sind zwei Beispiele wahrer Kreuzesnachfolge, und es ist interessant, dass die Reaktion der Menschen auf das Kreuztragen genauso war wie im Evangelium. Das heißt: Wenn es darum geht, aus Liebe zu Gott und aus Treue zu seinen Geboten ein Leiden auf sich zu nehmen, dann wird die Welt immer ihre Stimme erheben und sagen: „Das kann man dir doch nicht zumuten. Das kann niemand von dir verlangen. Das brauchst du dir doch nicht gefallen zu lassen. Sei doch nicht so dumm und engstirnig. Du musst dich zur Wehr setzen und dich selbst verwirklichen, sonst hast du nichts vom Leben.“
Die Stimme des Herrn aber sagt zu uns: „Verleugne dich selbst, verlass das ängstliche und krampfhafte Sorgen um dich und deinen eigenen Vorteil, nimm dein Kreuz auf dich, denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Ich bin dir diesen Weg vorausgegangen, denn dieser Weg führt zur Auferstehung und zum wahren Leben.“ Zwischen diesen beiden Stimmen müssen wir uns entscheiden.
Jene Menschen aber, die in der Nachfolge Christ ihr Kreuz tragen, sind die eigentlich tragenden Säulen, sei es in der Familie, in der Kirche oder in der Gesellschaft. Sie stützen und halten noch zusammen, was durch den Egoismus schon lange zerbrechen würde. Im Büchlein der Nachfolge Christi heißt es: „Es gibt keinen anderen Weg zum Leben und zum wahren inneren Frieden als den Weg des heiligen Kreuzes.“