Paul Claudel – In einem Nu wurde mein Herz ergriffen

Gott ruft immer wieder Menschen, dass sie sich zu ihm bekehren. Paul Claudel, der bekannte französische, katholische Schriftsteller, hat diese Gnade der Bekehrung am Weihnachtstag des Jahres 1886 erfahren. Claudel (1868 bis 1955) erzählt:
Er stammte aus einer Familie, die dem katholischen Glauben ausgesprochen feindlich gesinnt war. Zwar hatte er die Erstkommunion gefeiert, aber das war zugleich der Schlusspunkt seines religiösen Lebens gewesen. Als Achtzehnjähriger, der in seiner geistigen Entwicklung seinem Alter weit voraus war, hatte er längst den Glauben verloren. Ein freidenkerischer Professor, die Lektüre glaubensfeindlicher Bücher, das ganze kirchenfeindliche Milieu des ausgehenden 19. Jahrhunderts: All das und manches andere hatte den jungen Menschen völlig vom Glauben weggeführt. „Im übrigen“, so bekennt er, „führte ich ein unmoralisches Leben und verfiel nach und nach in einen Zustand der Verzweiflung.“
Am 25. Dezember 1886 nun ging Claudel ins Weihnachtshochamt der Notre-Dame-Kathedrale von Paris. Er kam nicht aus einem religiösen Grund; sondern als junger Schriftsteller, der er war, wollte er „in den katholischen Zeremonien ein geeignetes Reizmittel und den Stoff für einige dekadente Übungen finden“. Mit nur „mäßigem Vergnügen“ wohnte Claudel dem Hochamt bei.
Aber dann ging er doch, mehr aus Langeweile, nachmittags auch in die Vesper. Er stand mitten in der Menge, nahe beim zweiten Pfeiler am Choranfang, rechts auf der Seite der Sakristei. Als die Knaben der Singschule das Magnifikat sangen, geschah blitzartig seine Bekehrung. Hören wir ihn selber:

„Da nun vollzog sich ein Ereignis, das für mein ganzes Leben bestimmend sein sollte. In einem Nu wurde mein Herz ergriffen, und ich glaubte. Ich glaubte mit einer so mächtigen inneren Zustimmung, mit einem so gewaltsamen Emporgerissenwerden meines ganzen Seins, mit einer so starken Überzeugung, mit solch unerschütterlicher Gewissheit, dass keinerlei Platz auch nur für den leisesten Zweifel offen blieb, dass von diesem Tage an alle Bücher, alles Klügeln, alle Zufälle eines bewegten Lebens meinen Glauben nicht zu erschüttern, ja auch nur anzutasten vermochten. Ich hatte plötzlich das durchbohrende Gefühl der Unschuld, der ewigen Kindschaft Gottes, einer unaussprechlichen Offenbarung.”

Am Abend dieses Tages griff Claudel dann zu einer Bibel, die seine Schwester Camille von einer deutschen protestantischen Freundin erhalten hatte. Da vernahm er, wie er sagt, „zum erstenmal den Klang einer so sanften und doch so unbeugsamen Stimme, die seitdem unablässig in meinem Herzen nachhallt“.

Dem jungen Mann – er war 18 Jahre – war zur Gewissheit geworden, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist und „dass die Hölle überall dort sich befindet, wo Christus nicht ist“.

Aber noch bäumte sich der „alte Mensch“ dagegen auf, denn „er wollte nichts von dem Leben aufgeben, das ihm offenstand“. So blieb er noch den Sakramenten fern, nahm jedoch am Leben der Kirche teil. Es war noch ein Kampf, erst vier Jahre nach seiner Bekehrung ging er zur heiligen Beichte und wurde mit Gott ausgesöhnt. „Meine zweite Kommunion machte ich an jenem gleichen Weihnachtstage, am 25. Dezember 1890, in Notre-Dame.“

Claudel, der 1955 im Alter von 87 Jahren gestorben ist, hat sich – von wenigen dichterischen Arbeiten abgesehen – die letzten 25 Jahre seines Lebens fast ausschließlich mit der Bibel beschäftigt.