Es ist eine fast unglaubliche Geschichte. Der Kapuziner Pater Pietro Lavini baute von 1971 bis 2003 völlig allein in einer unwirtlichen Gebirgsgegend des Apennin, an einem Platz, der nur über einen dreistündigen Fußweg erreichbar ist, ein verfallenes Kloster wieder auf. Wie kam er dazu?
Padre Pietro wurde 1927 in Potenza Picena geboren. Seine Eltern waren sehr arm. Deshalb gaben sie ihn mit 9 Jahren in ein Kapuzinerkloster zur Erziehung. Das war damals möglich.
Als 11-Jähriger entdeckte er einmal bei einer Treibjagd in den sibillinischen Bergen, bei der er mitmachen musste, jene verfallene Einsiedelei aus dem 8. Jahrhundert, die auf einer kleinen Hochebene zwischen den Bergen lag. „Auf einmal sah ich die Ruine einer Kirche, ich war noch sehr jung, aber ich spürte ganz deutlich, wie der Herr seine Hand auf meine Schulter legte und zu mir sagte: ‚Bau mein Haus wieder auf.'“
Der Gedanke an dieses verfallene Kloster ließ ihn nie mehr los. 1952, mit 25 Jahren, wurde er zum Priester geweiht. Er war auch in der Mission in Afrika tätig, musste aber wegen einer Krankheit wieder zurück. 1965 besichtigte er die Ruine genauer. Durch viele Renovierungsarbeiten in der Provinz lerne er das Maurerhandwerk. Im Jahr 1971 wagte er schließlich den entscheidenden Schritt: Pater Pietro sprach mit seinem Oberen und erklärte ihm, was er vorhatte. Er sah seine Berufung nicht darin, Eremit zu werden, sonder er wollte das Kloster wieder aufbauen. Allen, denen er sein Vorhaben erzählte, hielten ihn für nicht ganz normal. Pater Pietro wollte sich nicht davon abhalten lassen. Die letzten Worte seines Guardian waren: „Diesen Weg gehst du allein.“
Er hatte die Besitzer dieses Gebietes in Rom ausfindig gemacht. Sie schenkten ihm das Grundstück mit der Ruine. Auch die örtlichen Behörden erlaubten sein Vorhaben. So machte er sich mit nichts, in völliger Armut auf den Weg. „Nach ein paar Tagen hier oben war mir klar, dass ich es nicht schaffen konnte. Ich weiß noch, dass ich unter einem Baum saß und auf die Ruine schaute. Du willst ein Kloster bauen, dachte ich, ein großes Kloster, und du hast noch nicht einmal eine Schaufel. Ich beschloss hinunterzugehen und eine Arbeit anzunehmen, Geld zu verdienen und dann mit dem Bau anzufangen. Ich habe eine Weile überlegt, ob ich hinuntergehen und auf dem Bau arbeiten soll. Ich hatte mich sogar schon auf den Weg gemacht, um eine Baustelle zu suchen, als ich plötzlich einen Hirten mit seiner Herde traf. Er lächelte mich an, gab mir ein Stück Brot, und ich war ganz bestürzt. Weil ich auf einmal verstand: Gott hatte mir eine ganz bestimmte Aufgabe an einem ganz bestimmten Ort gegeben, und ich war schon dabei, den Mut zu verlieren. Da schickte er mir einen Hirten, der mir Brot gab, und das bedeutete, dass Gott zu mir sagen wollte: ‚Wenn ich dir eine Aufgabe gebe, dann werde ich auch dafür sorgen, dass du sie bewältigen kannst. Zweifle nicht an deinem Gott!'“ So begann Pater Pietro im vollständigen Vertrauen auf Gottes Vorsehung zu arbeiten und erhielt auch die nötigen Hilfen durch gute Menschen. Tausende Kilo von Baumaterial, das er geschenkt bekam, schleppte er auf seinem Rücken zu Fuß hinauf. Er durchlebte auch viele Prüfungen: „Die langen Zeiten, in denen ich mit dem Bau nicht weiterkam, waren die schlimmsten für mich. Manchmal konnte ich beim besten Willen kein Werkzeug auftreiben – überhaupt nichts, was ich für diesen Bau brauchte, und dann habe ich zu Gott gebetet und ihm gesagt: ‚Herr, es ist dein Bau. Wenn du willst, dass er fertig wird, dann besorg mir das Material.'“ Auf die Frage: „Fühltest du dich in all den Jahren hier oben nicht schrecklich allein?“, antwortete Pater Pietro lächelnd: „Allein? Niemals, nicht einen Tag: Gott war doch immer bei mir. Ich weiß noch, wie mich einmal eine Ordensfrau, die hier heraufgekommen war, fragte, wann ich eigentlich bete, und ich sagte zu ihr: ‚Ich bete immer. Jeder Stein, den ich lege, ist ein Gebet; jeder Balken, den ich bewege. Immer wieder bitte ich Ihn, mir die nötige Kraft zu geben.'“
„Aber will Gott ernsthaft, dass du dich so quälst?“ „Ich quäle mich nicht, es ist meine Bestimmung. Hier ist der Ort auf der Welt, an den ich gehöre. Andere Menschen mögen eine andere Bestimmung haben, sie werden vielleicht als Väter oder Mütter gebraucht; aber mein Platz ist hier. Der Herr hat ihn mir gezeigt, und es kommt darauf an, das Schicksal auch anzunehmen; zu akzeptieren, wohin man geschickt wird. Ich habe es akzeptiert und das Wichtigste geschafft, was man im Leben schaffen kann.“ „Ich bin glücklich gewesen, all die Jahre lang, weil ich mich in Gottes Plan gefügt habe, und jetzt, wo die Kirche und das Kloster fast fertig sind, liegt mir nur noch eines auf der Seele: Ich möchte auch etwas für andere tun.“
Der Journalist Andreas Englisch hatte Pater Pietro des Öfteren besucht und in einer italienischen Zeitung eine Artikelserie über ihn veröffentlicht. So wurde sein Lebensweg in breiten Kreisen bekannt. 2003 hat der Ortsbischof die Kirche geweiht. Seitdem pilgern viele Menschen zu diesem Ort, um von Pater Pietro etwas von seinem unerschütterlichen Gottvertrauen zu lernen.
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Quelle: Andreas Englisch, Gottes Spuren