Ein außergewöhnliches Beispiel der Heiligkeit und der Liebe zu Jesus Christus hat uns die aus Annecy-le-Vieux in Frankreich stammende Anna de Guigne (1911 – 1922) gegeben. Für sie wurde 1932 der Seligsprechungsprozess eingeleitet und 1990 hat die Kongregation für die Heiligsprechungen in einem Dekret den „heroischen Tugendgrad“ Annas bestätigt.
Als kleines Kind zeigte sich bei Anna ein starker, heftiger Charakter. Sie war schnell aufbrausend, eifersüchtig, ungehorsam und trotzig. Ihre anderen vier Geschwister durften neben ihr nicht bestehen. Als sie einen kleinen Bruder bekam, war sie so eifersüchtig, dass sie ihm einen Tritt an den Kopf gab. Als einmal nicht sie, sondern ihr kleinerer Bruder auf dem Schoß der Mutter sitzen durfte, warf ihm Anna aus Eifersucht eine Handvoll Sand in die Augen. Weil sie so unbezähmbar war, machten sich ihre Eltern und Großeltern Sorgen, wie das einmal mit ihr enden würde.
Mit vier Jahren aber trat ein Ereignis ein, durch das sie sich gänzlich bekehrte und mit aller Willenskraft anstrengte, das Gute zu tun.
Während des Erstens Weltkriegs, 1915, fiel ihr Vater an der Front. Dieser schmerzliche Verlust für die Familie gab den Anstoß zu Annas Bekehrung. Sie dachte von da an viel an den Himmel und tat alles, um ihre Mutter durch ein gutes und gehorsames Verhalten zu trösten. Die erste hl. Kommunion mit 6 Jahren vertiefte diese Umwandlung. Es gab für sie keine größere Freude mehr, als Jesus Freude zu machen und aus Liebe zu ihm Opfer zu bringen. „Wenn dir etwas schwer fällt“, riet sie einmal einer Freundin, „so denk daran, dem lieben Gott die Mühe aufzuopfern. Man muss ihm alles opfern. Nichts ist schwer, wenn man ihn lieb hat. Unsere Arbeit ist ein Geschenk, das wir Jesus machen müssen.“
„Es gibt viele Freuden hier auf der Erde, aber sie sind nicht von Dauer. Jene eine aber, die bleibt, ist, ein Opfer gebracht zu haben“, sagte sie.
Ihre Erzieherin erklärte, Anna habe nie „warum?“ gefragt, wenn ihr etwas befohlen war, sondern es rasch und immer freudig getan. Beim Spielen sah man die Kleine oft plötzlich still stehen und die Worte sagen: „O Jesus, ich hab dich lieb.“ Sie bat die Mutter, ohne Gebetbuch beten zu dürfen, weil sie dann besser beten könne. „Das ist genau so, wie wenn man mit jemandem redet, Mama, da weiß man immer, was man sagt.“ „Was sagst du Jesus denn?“ „Dass ich ihn lieb habe. Dann rede ich mit ihm über dich und die anderen, damit Jesus sie brav werden lasse. Hauptsächlich rede ich mit ihm über die Sünder und dann sage ich ihm, dass ich ihn gern sehen möchte.“ Da fragte die Mutter ängstlich weiter: „Denkst Du dabei nicht an den Schmerz, den es mir bereiten würde, wenn du fortgingest, um Jesus zu sehen?“ „O ja, Mama, ich denke daran und möchte dir gerne keinen Kummer machen. Aber Papa ist ja schon im Himmel, du wirst auch hinkommen und die anderen auch, denn er ist ja unser Ziel.“ In der Todeskrankheit – offenbar Hirnhautentzündung – war sie nach den höchsten Schmerzen „gern bereit, für die Bekehrung der Sünder weiterzuleiden“, so glücklich war sie dann auch, „zu den Engeln gehen zu dürfen“.