“Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt” (Joh 1,29). Diese Worte Johannes des Täufers, die wir im Evangelium des 2. Sonntags im Jahreskreis (A) hören, sind uns vertraut. Sie werden bei jeder hl. Messe vor der hl. Kommunion wiederholt und sind eine Frage an uns, ob wir wirklich glauben, dass Jesus unser Retter ist und nur er uns den Frieden des Herzens und die Heilung der Seele schenken kann.
Der Glauben an die erlösende und heilende Macht Christi ist heute unter vielen Getauften in unsere Breiten weitgehend verschwunden. Das zeigt uns die geringe Zahl jener Gläubigen, die noch im Sakrament der Beichte die Vergebung ihrer Sünden empfangen wollen. Viele leben in der festen Überzeugung, dass sie keine nennenswerten Fehler hätten und gerecht seien. Deshalb brauchen sie auch keinen Erlöser.
Und doch, wenn wir tiefer in die menschlichen Schicksale hineinschauen, bietet sich uns ein anderes Bild. Die seelische Not ist oft sehr groß, man braucht z.B. nur an die vielen gescheiterten Ehen und Familien zu denken. Die seelischen Leiden und Wunden, die aus all diesen Sünden kommen, drücken die Menschen immer mehr nieder. Und da der Mensch mit der eigenen Schuld nicht fertig werden kann oder sie nicht wahrhaben will, so wird sie dann auf die anderen abgeschoben. Und so ist unsere Gesellschaft heute voll von Schuldzuweisungen. Wie traurig ist es, dass sie den nicht mehr kennen oder anerkennen wollen, der sie aus all dieser Not retten kann.
Jesus ist gekommen um die gebrochenen Herzen zu heilen und die Menschen von der Sünde, vom Bösen und vom seelischen Tod zu befreien. Er kann alles hinwegnehmen, was die Beziehung des Menschen zu Gott und den anderen behindert oder zerstört. Er will gerade heute seine barmherzige und heilende Liebe über die Menschen ausgießen.
Wir müssen uns darum bemühen, im Licht des Glaubens wieder klar zu sehen, was die Sünde ist und was sie bewirkt. Sie ist zuerst eine Beleidigung Gottes, aber damit auch ein großer Schaden für uns selbst. Jede Sünde hinterlässt Spuren in unserer Seele, die Leiden mit sich bringen. Sie wirkt wie eine negative geistliche Kraft, die den Menschen beherrscht. Wir können uns selber niemals von den Sünden und all ihren Folgen erlösen und befreien. Auch wenn man sie zugedeckt, verdrängt und vergessen hat, sie wirken mit ihrer zerstörerischen Macht weiter. Nur Christus ist das wahre Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnehmen kann.
Es ist so, wie der Prophet Jesaia gesagt hat: “Er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen, zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm – wegen unserer Vergehen – durch seine Wunden sind wir geheilt.” Diese heilende Liebe Christi wird uns immer wieder neu im Sakrament der Versöhnung geschenkt.