Wenn das Weizenkorn nicht stirbt

Im Evangelium des 5. Fastensonntags (B) sagt Jesus die bedeutsamen Worte: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“

Diesen Vorgang aus der Natur hat Jesus zuerst auf sich bezogen. Mit seinem Leidensweg, den er gegangen ist, indem er sich kreuzigen ließ, gestorben ist und begraben wurde, hat er als Weizenkorn die reiche Frucht der Auferstehung und des ewigen Lebens hervorgebracht.

Dieses Bild vom Weizenkorn ist aber auch für uns ein anschauliches Bild für den Sinn und das Ziel unseres christlichen Lebens. Denn jeder Mensch, der mit Christus durch den Glauben verbunden ist, wird auch diese Frucht des ewigen Lebens hervorbringen. Jesus hat uns dies verheißen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25f).

Doch hier müssen wir weiter betrachten: Dieses Sterben, von dem Jesus spricht, meint nicht nur den Augenblick unseres leiblichen Todes. Denn schon vor diesem letzten  entscheidenden Augenblick wird von uns immer wieder einmal ein Sterben, ein Loslassen und Abschiednehmen verlangt. Wir müssen durch verschiedenste Prüfungen in unserem Leben gehen, die Gott in seiner weisen Vorsehung zulässt oder verfügt.

Es kann sein, dass wir einen lieben Menschen verlieren, eine gute Stellung, unsere Gesundheit, unser leibliches Wohlergehen. Wir erfahren, dass vieles ganz anders kommt, als wir es erhofft und erwartet haben.

Alle Momente des Loslassens, die das irdische Leben mit sich bringt, haben für uns oft etwas Schmerzliches an sich. Aber der Herr will uns zur Einsicht führen, dass uns nicht diese Welt die große Erfüllung schenken kann, sondern nur er. Er will uns zur Erkenntnis verhelfen, die die heilige Teresa von Avila einmal treffend in die Worte gefasst hat: „Wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt.“

Darum ist es für uns wichtig, dass wir den Rat befolgen, den wir in einem Weisheitsbuch des Alten Testamentes lesen: „Nimm alles an, was über dich kommen mag, halte aus in vielfacher Bedrängnis. Denn im Feuer wird das Gold geprüft und jeder der Gott gefällt im Schmelzofen der Bedrängnis. Hänge am Herrn, und weiche nicht ab, damit du am Ende erhöht wirst“ (Sir 2,3-6).

Ja, wenn wir dieses irdische Sterben und Loslassen immer wieder bereitwillig, im Vertrauen auf Gott und aus Liebe zu ihm annehmen, dann werden wir erfahren, dass diese Auferstehung und das ewige Leben schon jetzt beginnen. Wir werden immer wieder neu den Trost des Heiligen Geistes empfangen und zur inneren Überzeugung gelangen, „dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm 8,18).