Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade

Im Evangelium des 3. und 4. Sonntags im Jahreskreis (C) hören wir vom ersten öffentlichen Auftreten Jesu in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazaret. Jesus liest aus dem Buch Jesaja die Verheißung: “Der Geist des Herrn ruht auf mir … Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe … und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.” Und Jesus gibt den Leuten zu verstehen: “Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt” (Lk 4,21) Zuerst staunen die Menschen über seine Worte. Doch als er ihnen zu verstehen gibt, dass es für sie um den Glauben an ihn und die Bekehrung zu Gott geht, da werfen sie ihn aus der Stadt hinaus. Sie haben die Gnadenzeit, die jetzt für sie gekommen war, nicht angenommen.

Das war die große Herausforderung des Glaubens für die Leute damals, aber das ist sie auch für uns. Denn auch wir sind hier, jetzt und heute aufgerufen zum Glauben und zur Bekehrung.

Das Heute, das Jesus damals ausgesprochen hat, hat bleibende Gültigkeit. Das will der hl. Lukas uns besonders vor Augen stellen.
Mit diesem “Heute” haben wir auch eine Eigentümlichkeit des Lukasevangeliums vor uns. Nur bei Lukas finden sich diese Heute-Aussagen, mit denen er die Gegenwart der Erlösung aufzeigen will:

Dieses Heute erklang zum ersten Mal auf den Fluren von Bethlehem aus dem Mund der Engel: “Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren” (Lk 2,11). Oder denken wir an die Bekehrung des Zöllners Zachäus in Jericho. Jesus sagte zu ihm: “Heute muss ich in deinem Hause Einkehr halten!” (Lk 19,5).  “Heute ist diesem Haus Heil widerfahren!” Im Gleichnis vom verlorenen Sohn sagt der Vater: “Heute müssen wir ein Fest feiern und uns freuen…” Am Kreuz spricht Jesus zum rechten Schächer: “Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!” (Lk 23, 43). Dieses Heute gilt nun immer, tagtäglich neu wird uns die Gnade Gottes durch Jesus Christus und seine Kirche angeboten.

Jesus ist nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten und ein Gnadenjahr auszurufen. Das Gericht wird erst zuletzt kommen am Ende unserer eigenen Zeit und am Ende der Weltzeit. Deshalb sagt der hl. Paulus: “Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade” (2.Kor 6,2), die wir aus Gottes Hand annehmen dürfen und nützen sollen, denn irgendwann ist diese Zeit vorbei.

Die Bewohner von Nazaret haben dieses Heute der Gnade Gottes nicht angenommen und Jesus hinausgeworfen. Aber der hl. Lukas stellt uns die Hirten vor Augen, die nach Bethlehem geeilt sind, dann den Zachäus, der sich bekehrt hat, den verlorenen Sohn, der zum Vater zurückgekehrt ist, und den rechten Schächer, der in seinem Kreuzesleiden auf Jesus vertraut hat.

Der hl. Pater Pio gibt uns zu bedenken: “Auch für uns kommt einmal die letzte Stunde, wo unser Herz zu schlagen aufhört und alles für uns beendet ist: die Zeit, Verdienste zu erwerben und die Zeit zu sündigen. So wie der Tod uns finden wird, so wird er uns Christus dem Richter vorführen. Unser Schrei um Erbarmen, unsere Tränen, unser Reueschmerz, der uns in unserem Leben das Herz Gottes erobert und uns durch die Sakramente aus Sündern zu Heiligen gemacht hätte, kann uns nichts mehr nützen. Die Zeit der Barmherzigkeit ist vorüber, nun hat die Zeit der Gerechtigkeit begonnen.”