Maria erbittet uns den Heiligen Geist

In der Apostelgeschichte wird uns berichtet, dass Maria mit den Jüngern im Abendmahlssaal vereint war, als sie auf das Kommen des Heiligen Geistes warteten: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14).

Maria hat mit ihrer Fürbitte das Kommen des Heiligen Geistes für die junge Kirche erwirkt, da sie ja als Braut des Heiligen Geistes von Anfang an zutiefst mit ihm verbunden war. Er hat an ihr die größten Wunder gewirkt: ihre unbefleckte Empfängnis und die Menschwerdung des Gottessohnes in ihrem Schoß. Und jetzt, als das Pfingstfest kam, wurde Maria erneut erfüllt vom Heiligen Geist. Welche Bedeutung Pfingsten für Maria hatte, das hat Romano Guardini wunderbar dargestellt:

„Es muss etwas göttlich Großes gewesen sein, als ihr, die ‚alles im Herzen bewahrte‘, durch das Licht des Geistes alles klar wurde: der Zusammenhang des Daseins Jesu sich erschloss. Durch die Jahre von Jesu öffentlichem Leben hatte sie in heroischem Glauben die Zuversicht aufrechterhalten müssen; jetzt empfing sie die Antwort, leuchtend und alles lösend.

Man denkt leicht, sie müsse doch von jeher den Herrn verstanden haben, besser als irgend jemand. Menschlich – soweit hier von Menschlichem die Rede sein kann – ohne jeden Zweifel. Historisch gesprochen war niemand wie sie in der Lage, Auskunft über ihn zu geben.

Auf der andern Seite aber steht nicht umsonst im Evangelium, dass sie ‚das Wort nicht verstanden, das er ihnen sagte‘. Wahrscheinlich hätte sie ein wirkliches Verstehen gar nicht ertragen können. Der Gang echter Erfahrung des glaubenden und liebenden Lebens ist größer als die Vorwegnahme von Dingen, die in der Führung Gottes erst später ihren Platz haben. Zu erkennen, dass das Kind, der Knabe, der Jüngling, der Mann, der in ihrer Nähe lebte, Sohn Gottes in dem Sinne sei, wie er nach Pfingsten offenbar wurde, hätte sie wohl in einen unerträglichen Zustand versetzt. Jene Sicherheit, ohne die ein mütterliches Dasein nicht möglich ist, wäre verschwunden. Nun aber kann sich, soweit das auf Erden möglich ist, Gottes Geheimnis enthüllen. Sie braucht keinen Schutz gegen die Übergröße mehr. Sie vermag die beiden Sätze: ‚Er ist der Sohn des ewigen Vaters‘ und ‚er ist dein Sohn‘ zusammenzudenken, ohne daran zu vergehen oder auch nur verwirrt zu werden. Ja, sie erkennt in dieser Einheit den unsäglichen Inhalt ihrer Berufung.“

In einer Familie ist es meist die Mutter, die ihre Kinder daran erinnert, welche Termine sie haben und was zu tun ist, damit sie nichts vergessen. Das tut auch Maria als unsere Mutter in der Kirche. Wenn wir sie lieben, sie verehren, unser Leben ihr weihen und nach ihrem Wunsch den Rosenkranz treu beten, dann wird sie uns den Heilige Geist erbitten und tiefer einführen in die alles überragende Erkenntnis Jesu Christi. Sie wird uns an alles erinnern, was der Herr uns gesagt hat.