Elisabeth Leseur (1866-1914), die der Seligsprechungsprozess eingeleitet wurde, ist als verheiratete Frau und Mystikerin ein überzeugendes Beispiel für gelebte Heiligkeit in der Ehe und in einer weltlichen Gesellschaft.
Elisabeth wuchs in einem wohlhabenden Pariser Haus auf und heiratete 1889, mit 22 Jahren, Felix Leseur, einen Journalisten und Diplomaten. Die ersten Jahre der Ehe waren sehr glücklich, aber sie konnten keine Kinder bekommen. Beide stammten aus einem katholischen Elternhaus, aber Felix hatte durch das Studium den Glauben verloren, während Elisabeth den Glauben praktizierte. Da Felix sich mit seiner Arbeit in einer antikatholischen Bewegung engagierte, begann er nach einigen Jahren Elisabeth wegen ihres Glaubens und ihrer Frömmigkeit zu kritisieren und mit spöttischen Bemerkungen zu verletzen. Er stellte ihr alle möglichen kleinen Hindernisse für die Ausübung ihres Glaubens in den Weg, worunter Elisabeth sehr litt. Zermürbt von Felix’ fortgesetzten Bemühungen und von den weltlichen Kreisen, in denen sie sich damals bewegten, gab Elisabeth 1898 ihren Glauben kurz auf.
Im Sommer desselben Jahres aber löste die Lektüre des ketzerischen Lebens Jesu von Ernest Renan, zu der ihr Mann sie nötigte, in Elisabeth eine tiefe Bekehrung aus. Sie kehrte zum Glauben zurück, vertiefte sich in die Bibel und andere christliche Literatur und begann in aller Stille für die Bekehrung ihres Mannes zu beten und zu opfern. Zusätzlich zu diesem emotionalen und spirituellen Leid litt Elisabeth an vielen körperlichen Beschwerden. Sie glaubte fest an den erlösenden Wert des Leidens und sagte: “Das Leiden, das angenommen und aufgeopfert wird, ist das beste aller Gebete.”
Zwischen ihren Krankheiten engagierte sich Elisabeth in einer Vielzahl von karitativen Werken. Elisabeth war für viele Menschen, mit denen sie zusammentraf und korrespondierte, eine Quelle des geistlichen Beistands. Ein vorherrschendes Thema ihres geistlichen Lebens war die völlige Hingabe an Gottes Willen. Sie schrieb: “Ich wünsche, nur für Gott zu leben, alles, was ich kann, großzügig in seinem Dienst zu tun, und mich vor allem ganz seinem Willen zu überlassen.” Elisabeth erkrankte an Brustkrebs und litt zehn Monate lang unter starken Schmerzen, bis sie am 3. Mai 1914 im Alter von 48 Jahren starb.
Nach ihrem Tod hat ihr Ehemann die Schriften Elisabeths gefunden, darunter ihr Tagebuch, ein Buch der Vorsätze und die täglichen Gedanken. Er las diese Schriften seiner Frau und erfuhr, dass Elisabeth all ihre vielen Prüfungen für sein Seelenheil geopfert hatte. Er bekehrte sich 1915 gänzlich zum katholischen Glauben. Er veröffentlichte Elisabeths Tagebuch; es wurde zu einem Bestseller. Er trat bei den Dominikanern ein und wurde 1923 zum Priester geweiht. Felix schrieb: “Elisabeth, die in der Welt lebte, erfüllte alle Pflichten ihres Standes, und ihr Beispiel zeigt, wie es möglich ist, wenn man den Willen hat und die göttliche Gnade anruft, ein intensives geistliches Leben zu führen und die höchsten evangelischen Tugenden inmitten der äußeren Tätigkeit zu praktizieren.”