Der Tübinger Professor Walter Jens (1923-2013) war einer der intellektuellen Vorkämpfer, der sich für die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe eingesetzt hat. Zusammen mit Hans Küng veröffentlichte er 1995 das Buch: Menschenwürdig sterben. Ein Plädoyer für Selbstverantwortung. Er selbst konnte sich ein Leben ohne intellektuellen Austausch nicht vorstellen. 2004 verfiel er aber einer schweren Demenz-Erkrankung, die sein Leben wandelte.
Seine Frau Inge sagte 2009 in einem Interview mit der ‘dpa’: “Sein Lebenswille bezieht sich nicht mehr auf sein geistiges Wirken. Er hat sich zu einem biologischen Leben in einem Maße verschoben, wie ich es selbst nicht für möglich gehalten hätte“. Ihr 86 Jahre alter Mann kann durch die Krankheit nicht mehr lesen und kaum noch reden. “Ich weiß genau, und es steht Wort für Wort in unserer Patientenverfügung formuliert, dass mein Mann so, wie er jetzt leben muss – unfähig zu schreiben, zu sprechen, zu lesen, überhaupt noch zu verstehen – niemals hat leben wollen. Sein Zustand ist schrecklicher als jede Vorstellung, die er sich wahrscheinlich irgendwann einmal ausgemalt hat”, sagte sie.
Trotzdem sei sie sicher, dass er an seinem Leben hänge und nicht sterben wolle. “Neulich hat er gesagt: ‘Nicht totmachen, bitte nicht totmachen.’ Ich bin mir nach vielen qualvollen Überlegungen absolut sicher, dass mich mein Mann jetzt nicht um Sterbenshilfe, sondern um Lebenshilfe bittet”, sagte sie. Es gebe Momente in seinem Leben, die ihm große Freude bereiteten. “Er isst mit allergrößtem Vergnügen. … Das ist doch kein Todeswunsch, der sich da äußert.” Die Erfahrungen mit ihrem Mann hätten sie durchaus ins Zweifeln über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen gebracht.
2013 ist Walter Jens ohne aktive Sterbehilfe von Gott aus diesem Leben gerufen worden.
Gott hat uns mit Walter Jens ein Zeichen gegeben, dass es uns nicht zusteht, nach eigenem Willen über unser Leben und Sterben zu verfügen, sondern dass wir unser Leben wirklich ganz, bis zuletzt in seine Hände legen sollen.