Du musst das Evangelium leben, nicht nur lesen!

„Vor zweiundzwanzig Jahren bin ich einer Person namens Jesus Christus begegnet. Und wo? Im Iran.“ Mit diesen Worten begann der Franziskanerbruder André Marie Rahbar am 23. Apr. 2023 bei der Konferenz der Gemeinschaft „Magnificat“ in Chianciano Terme (Italien) von seinem Leben zu erzählen.

„Ich wurde in einer Stadt geboren, in der alle Muslime sind. Es gibt keine Christen. Ich wurde in eine Familie hineingeboren, die nicht einmal an Gott glaubte, und bis zum Alter von 13 Jahren war ich ein Kind, das auf der Straße spielte, zur Schule ging und sich weder für Gott noch für die Religion interessierte“. Ein normales Leben, weit weg von Gott. Bis eines Tages etwas Seltsames passiert: Auf dem Weg zur Schule fand André ein Buch auf dem Boden. „Aus Neugierde habe ich dieses Buch auf der Straße aufgehoben, und darauf stand ‚Evangelium von Jesus Christus‘. Das war schon seltsam. Aber wer war Jesus? Was ist das Evangelium? fragte ich mich.“

André begann dieses Buch zu zu lesen, Tag und Nacht, und konnte nicht mehr damit aufhören: „Wisst ihr das? Noch heute ist dieses Buch in meinem Land verboten … Ich weiß nicht, wer das Buch an jenem Tag auf der Straße gelassen hat. Aber es hat ein Leben verändert. … Allerdings gab es dann ein Problem mit meiner Familie, als sie sahen, dass ihr einziger Sohn von morgens bis abends in diesem Buch las, sogar auf der Straße und in der Schule. Erst sagten sie zu mir: ‚Schau, das sind alles nur Geschichten von vor 2000 Jahren, lass das doch, zerbrich dir nicht den Kopf mit solchen Dummheiten.‘ Aber ich konnte es nicht lassen. … Dieser Jesus, den ich in dem Buch gefunden hatte … tief in meinem Herzen war etwas, eine Gewissheit, dass er wirklich da war, dass er existiert und mir nahe war.“

Sein Vater nahm ihm schließlich das Buch weg und zerriss es. André machte sich auf die Suche, bis er es in einem Geschäft in der Stadt fand. Mit dem Geld, das ihm sein Vater für die U-Bahn-Tickets gab, kaufte er das Buch. Als sein Vater das Buch bei André entdeckte, zerriss er es wieder. Das wiederholte sich einige Male, bis André schließlich auf die Idee kam, das letzt Buch, das er kaufen konnte, einer Bibliothek zu schenken, um es tagsüber dort ausleihen und lesen zu können. Aber er stellte fest:

„Die Nacht ohne dieses Buch war für mich wirklich finstere Nacht! … ich hab darin das Licht gefunden! Ohne das Buch hatte ich Angst.“ Damit er das Buch auch bei sich zu Haus haben konnte, ohne dass seine Familie feststellen konnte, was er las, lernte er eine andere Schrift. „Also schrieb ich das ganze Neue Testament auf Persisch, aber in armenischer Schrift ab, in etwa 30 Heften, alle von der ersten bis zur letzten Seite gefüllt. Aber diese 30 Hefte mit mir herumzutragen, war dann einfach auch nicht möglich … ‚Herr, was soll ich denn machen? ‚, fragte ich. Und dieses Mal hörte ich in meinem Herzen die Worte:

‚Du musst das Evangelium leben, nicht nur lesen und bei dir haben! Wenn du diese Worte lebst, wirst du das Licht in dir tragen, nicht in deiner Tasche, nicht in Heften oder Büchern; du musst es leben!‘

Das war ein wirklich revolutionärer Moment in meinem Leben. Ob der Herr nun einen anderen Weg vor mir eröffnete, den er selbst erleuchten würde? In diesem Augenblick – ich war fast 15 Jahre alt und bereits zwei Jahre mit Jesus unterwegs – fand ich zum ersten Mal eine Kirche. … Fast sieben Jahre bereitete ich mich vor, um die Taufe zu empfangen. Doch damit begann eine Reihe sehr großer Schwierigkeiten, sowohl mit meiner Familie, die mich bat, das Haus zu verlassen, als auch mit der Gesellschaft, dem Staat, mit der Polizei. Ich war 16, als ich zum ersten Mal ins Gefängnis kam …

Nach fast 15 Jahren durfte ich den Heiligsten Leib Christi, die Kommunion, empfangen! Das Leben, über das ich euch erzähle, war schwer, ja, aber nach 22 Jahren kann ich sagen: Es ist auch wunderschön!“