Wer von Landeck in Tirol über den Reschenpass nach Italien fährt, wird einem eigenartigen Attraktion begegnen: mitten im Wasser des Reschensees, einem Stausee, der 1950 fertiggestellt wurde, steht ein Kirchturm. Er erinnert an das kleine Dorf „Graun“ mit ca. 800 Einwohnern, dessen Kirche und dessen Häuser damals abgerissen und an einen anderen Ort verlegt wurden. Nur der Kirchturm blieb als Wahrzeichen stehen. Der Ort musste dem Stausee für ein Kraftwerk zur modernen Energiegewinnung weichen.
Doch viele wissen nicht, dass dieser kleine Ort bis zu seiner Zerstörung 200 Jahre lang ein „Kraftwerk“ ganz besonderer Art war, von dem ein „Strom der Gnade“ ausging, der das ganze Land und darüber hinaus mit „geistlicher Energie“ versorgt hatte.
Die Glocken des Kirchturms, den man im Wasser sieht, haben die Menschen bis 1950 jedes Jahr zu einer Primiz zusammengerufen: durch 200 Jahre gab es jedes Jahr eine Primiz in diesem Dorf. Über 200 Priester sind aus Graun hervorgegangen. Kanonikus Hohenegger (geboren 1914), der aus Graun stammte, hat dies durch seine geschichtlichen Forschungen nachweisen können. Er beschreibt auch, welcher Geist in seinem Heimatdorf herrscht, und Graun zum priesterreichsten Dorf der Diözese Brixen machte.
Die stärkste Erinnerung, die Pfarrer Hohenegger mit dem alten Graun verbindet, ist, dass es ein tief religiöses „eucharistisches Dorf“ war. Über 200 Jahre lang, bis zur Seestauung, wurde jeden Sonntag eine eucharistische Prozession mit Anbetungsstunde gehalten. Am 1. Monatssonntag gingen 90% der Einwohner zur heiligen Beichte und Kommunion.
Die eucharistische Frömmigkeit wirkte sich auch im Zusammenleben der Menschen sehr positiv aus. Maria Plangger, die auch 1950 ihre geliebte Heimat verlassen mussten, erinnert sich: Es sei für Altgraun bezeichnend gewesen, dass alle zusammenhielten; dass es kaum einmal Streit gegeben habe, obwohl fast in jedem Haus mehrere Parteien wohnten und meist Küche und Stall gemeinsam hatten.
Nach der Stauung war die letzte Primiz in Graun 1958.
Es ist greifbar, dass vor allem durch die große Verehrung der hl. EUCHARISTIE Priesterberufe geschenkt werden und echter Friede in die Familien kommt. Dahin müssen wir zurückkehren, denn alle äußerlichen Dinge bringen nichts.