Ausführliche Lebensbeschreibung

Bruder Benno Koglbauer 1862 – 1925
Ausführliche Lebensbeschreibung

Von P. Gaudentius Walser OFMCap.

Vorwort

In einem Gespräch über den gottseligen Bruder Benno in Bregenz sagte mir P. Juvenal Längle aus Klaus (1875-1951): »Als ich das Buch ›im Dienste Gottes und der Menschen‹ (ein Lebensbild des Dieners Gottes Konrad Birndorfer von Parzham, München 1928, Verlag Pustet, 220 Seiten) gelesen hatte, war ich überzeugt: Wenn dieser Bruder Konrad ein Heiliger ist, dann ist es Bruder Benno auch. Man könnte ruhig in dieser Biographie statt Konrad Benno einsetzen, sosehr deckt sich das Leben unseres Bregenzer Pförtners mit dem Leben des Pförtners in Altötting.« P. Juvenal war eine zeitlang Beichtvater und Oberer des Bruder Benno.

Von diesem »guten Bruder Benno«, wie ihn die Leute allgemein nannten, soll dieses Büchlein erzählen. Es finden sich in diesem einfachen Kapuzinerleben keine außergewöhnlichen Begebenheiten, keine Erscheinungen oder irgendwelche Offenbarungen. Wohl aber hat Bruder Benno mit außergewöhnlicher Gewissenhaftigkeit und beharrlicher Treue die alltäglichen Aufgaben im Dienste Gottes und der Menschen erfüllt.

Die folgenden Ausführungen stützen sich auf Zeugenaussagen vieler Mitbrüder und vieler Bregenzer Bürger, die Bruder Benno in bester Erinnerung behalten haben.

Urbild aller Heiligkeit ist Jesus Christus. In ihm wohnt die Fülle der Gottheit. Dieses Bild soll einen Heiligen darstellen. Aber er kann nur einen Zug aus dieser Fülle nachzeichnen, mehr würde jede menschliche Möglichkeit übersteigen. Er stellte den Herrn so dar, wie seine Zeit und Umwelt es brauchen. Darum hat er eine Aufgabe, eine Sendung, die in gleicher Weise niemand vor ihm und niemand nach ihm hat. Durch einen heiligen Menschen legt der Heilige Geist Zeugnis ab, und er tut es in der Weise, wie es diese Zeit und diese Menschen am Ort es nötig haben. Ein heiliges Leben ist immer ein Segen für die Kirche am Ort — Bruder Benno, ein Segen für Bregenz.

Gesegnete Heimat

Mönichkirchen am Wechsel, ein verborgenes weitausgedehntes Dörfchen am Rande der Bucke­ligen Welt, liegt im schönen Bundesland Niederösterreich, näher der ungarischen Grenze als der alten Kaiserstadt Wien.

Eingebettet zwischen Tannen­grün und Ährengold war jener Sommertag, an dem auf dem Bauerngut des Simon Koglbauer und seiner Frau Maria, geb. Gradwohl, das 4. Kind geboren wurde, am 30. Juni 1862. Noch am gleichen Tag brachte man das Büblein dem Pfarrprovisor Groh von Mönichkirchen zur Taufe. Matthias sollte es heißen. So wünschten es die guten Eltern, und genannt wurde das Kind »Hiasl«.

In der guten Atmosphäre einer echt christlichen Familie und in der gesunden Luft der heimatlichen Wälder am Wechsel wuchs der kräftige Bub heran. Das bäuerliche Leben war einfach, erfüllt mit täglicher Arbeit auf dem Hof und den umliegenden Feldern. Die Bauern wußten, an Gottes Segen ist alles gelegen. Darum hielten sie viel auf christlichen Brauch und gute Sitten. Das Familiengebet hatte einen unverrückbaren Platz im Tagesgeschehen. Tischgebet und »Engel des Herrn« waren Selbstverständlichkeit. Am Samstag Abend und vor den Feiertagen beteten alle Familienmitglieder den Rosenkranz, vom Advent bis Ostern sogar jeden Tag. Jeder Sonn- und Festtag war geheiligt durch Gottesdienst und Arbeitsruhe.

Etwas Wunderbares ist das Wachsen und Reifen eines Kindes. Der Hiasl zeigte Begabung und schnelle Auffassungsgabe. In den Jahren der Schulzeit brachte er es bald so weit, daß er der Beste der Klasse war. Der Lehrer verlangte seine Sache, der Schüler gab sein Bestes. Was er lernte, behielt er Zeit seines Lebens. Es ging nicht allein um Verstandesbildung, sondern ebenso um charakterliche Formung und religiöse Vertiefung des jungen Lebens. Klar, einfach und sauber wie sein Charakter war auch seine Schrift. Koglbauer legte großen Wert auf schöne Schriftzüge. In der Erledigung des Schriftverkehrs war er seinem Vater, der Bürgermeister der Gemeinde war, oft behilflich.

Sehr aufgeschlossen zeigte sich der Hiasl in Religion. Was der Katechet sagte, erzählte er seiner Mutter, die stets das religiöse Wissen der Kinder zu vertiefen wußte. Die gute Mutter pflegte nach getaner Arbeit am Abend den Kindern Katechismus und Biblische Geschichte einzuprägen, verbunden mit Gebeten. Weil der Hiasl so war, wie man sich einen Buben wünscht, gehorsam und fleißig, fröhlich und verträglich, darum liebten alle das kleine Bürschlein.

Frohe Jugendzeit

Die Jahre vergingen. Unbeschwert erlebte Matthias seine Jugendjahre im elterlichen Haus. Arbeitsam wie er war, griff er in Haus, Stall und Feld überall zu. Müßiges Herumstehen blieb ihm zeitlebens ohne Wert. Er war stets ein eifriger Benützer der Zeit. Hilfsbereit zeigte er sich auch den Nachbarn. Man mußte ihn nicht zweimal bitten.

Ja, der Hiasl hatte seine helle Freude an der Schönheit der Natur, am Trillern der Lerchen über den Fluren und Feldern, am Zwitschern der Schwalben rund um den Bauernhof und am Ruf des Kuckucks aus den heimatlichen Wäldern. Er hatte Freude am fröhlichen Singen der Dorfjugend, auch am gemütlichen Tarock in der Bauernstube. Lange noch nach seinem Klostereintritt erzählten sich die Leute von den munteren »Gstanzeln«, mit denen er aufrückte und köstliche Unterhaltung bot. Sauber mußte die Unterhaltung sein. Zweideutigkeiten und Derbheiten vertrug er nicht. Solche Leute nannte er »grauslige Menschen« und mied den Umgang mit ihnen. Er war immer freundlich, anständig und von vornehmer Zurückhaltung.

Es schätzen ihn auch die Mädchen sehr, wegen seiner fröhlichen Art und Wohlanständigkeit. Manche sah den »feschen« Jungmann nicht ungern. Auf dem weiten Kirchweg begleitete ihn manches Mädchen. Er war so heiter, man konnte sich mit ihm gut unterhalten. Sein Humor war von selten feiner herzerfreuender Art.

Er war kein Frömmler. Gerne lenkte er das Gespräch auf Gott hin. Einem Mädchen aus der Verwandtschaft, das auf dem Koglbauernhof lebte, sagte er: »Du, heut hast Du Geburtstag. Heut gehst Du beichten und ich geh mit Dir. Dann zahl’ ich Dir ein Paar Wurstel. Aber gut mußt es machen, nicht etwa wegen der Würstl beichten gehen.«

Wie die Zeit vergeht. Mancher seiner Jugendfreunde hatte sich schon einen eigenen Hausstand gegründet, hatte geheiratet. Dem Hiasl eilte es gar nicht damit. Manches Mädchen hat ihn gerne gesehen, ja hätte ihn gerne geheiratet. Natürlich machte sich auch unser Matthias seine Gedanken über die Zukunft. Das »Gstettenschmied Waberl« wäre kein übles Mädchen gewesen. Gewiß eine gute Hausfrau und Mutter. Manchmal kannte er sich selbst nicht ganz aus.

Eigenartiges Fernweh

In den beginnenden Mannesjahren befiel ihn eine eigenartige Unruhe. Es drängte ihn von daheim fort. Ein unerklärliches Fernweh hatte ihn erfaßt. Anfangs widerstand er den Lockungen der Ferne. Er fühlte sich dabei halb krank. »Ich habe schon jahrelang einen großen Antrieb zum Fortgehen gehabt … Ich war schon beinahe ein halbes Jahr nicht mehr gesund und nicht recht krank, und ich würde gänzlich krank geworden sein, wenn ich mich nicht aufgemacht hätte fortzugehen. Jetzt bin ich wieder ganz gesund.« So schrieb er nach seinem Weggang von zu Hause.

Er wanderte zuerst nach Mariazell zur »Magna Mater Austriae«. Sein Weg führte ihn durch das Ötschergebiet nach Oberösterreich, weiter nach Salzburg. Seine Lieben daheim verstanden nicht recht, warum er das Weite suchte und von der Heimat wegging. Für ihn selbst dürfte der Weggang das Richtige gewesen sein. Er schrieb nach Hause: »Gott hat mir dies in den Sinn gegeben, mich von Euch einmal wegzumachen und mein Glück in der weiten Ferne zu suchen.«

Welcher Art dieses Glück sein sollte, ahnte er freilich noch nicht. Oft hatte er von schönen Kirchen geträumt. Nun konnte er sie besuchen, die herrlichen Kirchen in Innerösterreich und schließlich in Salzburg.

Salzburg — Kapuzinerberg

In Salzburg wanderte er eines Tages auf den Kapuzinerberg. Lange betete er in der Klosterkirche vor der Lourdesgrotte. Da blitzte ihm der Gedanke auf, an der Klosterpforte nachzufragen, ob er nicht als Klosterknecht eingestellt werden könnte. Koglbauer zog die Pfortenglocke. Schon hörte er den Pförtner in seinen Sandalen daherklappern. Bruder Moritz Müller (1854-1908) öffnete freundlich die Klosterpforte. Als der Hiasl ihm sein Anliegen vorgetragen hatte, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen und rief aus: »So ein Zufall! Grad heut’ mußte unser Knecht familienhalber nach Hause gehen.«

Der Bittsteller wurde zu P. Guardian Callistus Koch (1828-1903) gebracht. Freudig sagte er ihm die Aufnahme zu. Und als P. Guardian den vorbildlichen Eifer des Hiasl sah, sagte er öfter: »Ihr werdet sehen, unser Hiasl wird einmal ein ausgezeichneter Kapuzinerbruder werden.«

Matthias Koglbauer machte seine Sache gut. Durch seine Gewissenhaftigkeit erwarb er das volle Vertrauen des Vorgesetzten und der Klosterfamilie. Fröhlich und unverzagt kam er seinem Dienst nach. Keine Arbeit war ihm zuviel. Nie eine Klage oder ein Murren. Auf dem Kapuzinerberg in Salzburg fand er ein neues Zuhause. Nur mit dem Speisezettel der Fastenzeit konnte er sich wenig anfreunden. Er meldete nach Hause: »Mir geht es bis jetzt noch immer gut, aber nach Allerheiligen wird es glaub’ ich schlechter werden, da von Allerheiligen bis Ostern kein Fleisch gegessen wird, außer an drei Tagen zu Weihnachten und die letzten acht Tage im Fasching. Von den Fastenspeisen kann ich aber manche gar nicht leicht schlucken.«

Auf den Sammelgängen in den Dörfern der Umgebung mußte er als Träger die Sammelpatres begleiten. Humorvoll schrieb er seinem Bruder: »… Eines möchte ich Euch erzählen .. , daß ich bei den Hochw. Patern Kapuziner das Betteln auch gelernt habe .., aber trotzdem ich fechten gegangen bin, wurde ich im Nachtquartier in Straßwalchen mit Servour (= mit besonderer Höflichkeit, Aufmerksamkeit, in vornehmer Art) bedient, was bei Bettlern selten vorkommen wird.«

Ein nettes Erlebnis hatte er auf dem Kapuzinerberg mit einem hohen Herrn. Es war im Winter bei der Holzarbeit. Der Hiasl hatte eine tüchtige Fuhre geladen und mühte sich im Schweiße seines Angesichtes, damit weiter zu kommen. Der Weg war schlecht. Er kam kaum vorwärts. Da kam der Weihbischof von Salzburg, der spätere Kardinal Johann Katschthaler (1832-1914), des Weges. Er schob kräftig an. Und »prächtig ist’s gegangen«, sagte der Hiasl, als er Atem holte und den Helfer erkannte.

Vorbild für die Brüdergemeinschaft

Die Kapuziner schätzten ihren Knecht immer mehr und erbauten sich an seiner Frömmigkeit. »Er erfüllte seine Pflichten sehr treu«, urteilt Bruder Donulus Nigg (1867-1949), »bei allen war er beliebt. Er war ein Mann des Gebetes und hielt sich viel auf dem hinteren Chor auf zum Gebet. Dort wohnte er auch allen heiligen Messen bei.« Die Wertschätzung des hl. Meßopfers fiel besonders auf. Als er die Nachricht vom Tode seines Vaters Simon Koglbauer (†1896) erhielt, opferte er ihm viele hl. Messen auf, wie ein Brief bezeugt, den er seiner Schwester und dem Schwager schrieb (Brief vom 26. 8. 1896).

Abends, wenn alle zur Ruhe gegangen waren, kniete er noch lange in der Kirche auf der Empore. Einmal betete noch zu später Stunde P. Thomas Villanova Gerster (1869-1940) auf der Empore. Da öffnete sich drunten in der Kirche die Türe zur Lourdeskapelle und der Hiasl erschien mit einer brennenden Kerze in der Hand und ging betend von Altar zu Altar. Er glaubte sich unbemerkt.

P. Guardian Callistus schätzte ihn so sehr, daß er ihm alle Aufträge anvertraute, auch Geldgebaren und Buchführung. Nie hat der treue Knecht etwas veruntreut oder verschlampt. An Gewissenhaftigkeit und treuer Pflichterfüllung übertraf er die besten Brüder. Während die Mitbrüder im Salzburger Kloster ihn schon als zukünftigen Novizen einstuften, dachte er selbst noch gar nicht daran, einmal Kapuziner zu werden. Er zeigte zwar ein gewisses Interesse für den Orden, seine Pläne gingen jedoch in eine andere Richtung.

Bei seinen fast täglichen Botengängen in die Stadt hatte der Hiasl ein Mädchen kennengelernt, das ihm gar nicht schlecht gefiel. Es faßte auch Neigung zu ihm. Sie hätte auch ein schönes Heiratsgut mitgebracht. So dachte er daran, allmählich selbstständig zu werden und sich um ein »Gschäftl« umzusehen. — Der Mensch denkt, Gott lenkt.

Der Ruf Gottes

Das Jahr 1900 wurde das Jahr der großen Entscheidung für Matthias Koglbauer. Schon das fünfte Jahr diente er als Ausgeher und Knecht den Kapuzinern in Salzburg.

Der greise Papst Leo XIII. (1810-1903) hatte für das Jahr 1900 einen Jubiläumsablaß ausgeschrieben. Unter der Führung des volkstümlichen Weihbischofs Johann Katschthaler machte sich eine Pilgergruppe aus Salzburg auf den Weg nach Rom. Unser Hiasl war mit dabei. Diese Romfahrt wurde für ihn zu einem tiefgreifenden Erlebnis, entscheidend für seine Berufswahl.

Nach Pilgersitte wurden in Rom die sieben Hauptkirchen besucht. Auf diesem Pilgerweg besuchten die Salzburger auch die Kirche zur hl. Praxedis, in der die Geißelsäule des Herrn aufbewahrt und verehrt wird. Als Matthias Koglbauer an dieser Säule vorbeikam, wollte er sie küssen. Dabei übersah er den Glassturz, der diese Reliquie schützte, und stieß derart mit dem Kopf an, daß es Scherben gab. »Mein Kopf hat’s nicht büßen müssen, wohl aber mein Geldbeutel«, schmunzelte er später, wenn er davon erzählte.

Von entscheidender Bedeutung aber war ein anderes Erlebnis, das er zeitlebens verborgen hielt. Als er von der Pilgerfahrt heimkam, bat er um Aufnahme in den Kapuzinerorden. Er war entschlossen, Ordensbruder zu werden. Nie hat er verraten, was ihn zu diesem Entschluß bewogen hat. Er sagte nur das eine: »Ich wäre niemals Kapuziner geworden, wenn ich nicht in Rom gewesen wäre. Rom hat mich zum Kapuziner gemacht.«

Am 9. September 1900 kniete der nun 38-jährige an den Stufen des Altares und empfing das Kleid des hl. Franziskus, die Kutte mit dem Strick, dazu einen neuen Namen: Bruder Benno. Harte Tage inneren Ringens waren vorausgegangen. Mit ihm wurden drei weitere Jungmänner eingekleidet: Br. Juniperus Pundleider (†1917 in Calliano als Opfer des Ersten Weltkrieges), Br. Aventinus Jost (verließ nach einigen Monaten das Noviziat) und Br. Bernhard Offida Ellemunter (†1906 in Neumarkt/Südtirol). Lehrmeister der Brüdernovizen war der fromme P. Viktorin Zobl (1861-1916).

Im Noviziat in Salzburg 1900 -1901

Der Anfang war gemacht. Der Weg des heiligen Franziskus war eingeschlagen. Nun galt es für Bruder Benno den Weg mutig weiterzugehen, Schritt für Schritt sich näher an den Lieben Gott heranzuarbeiten, »vollkommen zu werden, wie der Vater im Himmel vollkommen ist« (Mt 5,48). So fordert es Jesus von seinen Jüngern. Keine leichte Aufgabe. Das Noviziat — ein Probejahr — ist ein Jahr der ernsten Selbstprüfung, der Prüfung durch die verantwortlichen Obern, um festzustellen, ob der gewählte Weg wohl der richtige ist. Der Neuling im Orden muß seine Pflichten und Rechte kennen lernen, muß sich in die Ordensregel, die Satzungen und Gebräuche einleben. Er soll mit bereitem Herzen und wachem Sinn den Geist des Ordensvaters in sich aufnehmen. Sachlich und nüchtern müssen die eigenen Kräfte abgewogen, Tiefen ausgelotet und Höhen gemessen werden. Strohfeuerbegeisterung taugt nichts und hält nicht durch, nur zähe Ausdauer und beharrliches Streben mit Gottes Gnade führt zum Glück und Ziel.

Bruder Benno war sich dessen wohl bewußt. Er stand bereits in den besten Mannesfahren. Vom ersten Tage an nahm er es ernst und war ganz bei der Sache. Still und in sich gekehrt ging er seine Wege, tat seine Pflicht. Er wurde dem Bruder Koch zugeteilt zur Mithilfe in der Klosterküche. Die Ordensfamilie zählte damals in Salzburg 25 Mitbrüder. Arbeit genug, um täglich den Tisch zu bereiten. Bruder Malachias Raich (1862-1903), der Koch, gleich alt wie Bruder Benno, rügte ihn öfters, weil er etwas ungeschickt war in der Zubereitung der Speisen. Er ließ sich aber nie aus der Ruhe bringen. Demütig nahm er jeden Verweis an. Sorgsam hütete er sich vor jeder unnützen Rede, äußerte nie eine Klage, zeigte sich nie unzufrieden und war verträglich mit allen Brüdern. Bei der Erholung war er immer da, dabei fröhlich und aufgeschlossen. Er war nicht geschwätzig, wohl aber sehr interessiert an Zeitgeschichte und kirchlichen Gegenwartsfragen.

Auffallend war seine große Liebe zum Gebet, die ihn später besonders auszeichnete. Von der Gegenwart des Herrn im Allerheiligsten Sakrament war er tief durchdrungen, ja wie ein Magnet fühlte er sich hingezogen zum Tabernakel. Jede freie Zeit kniete er im Chor in tiefer Sammlung.

Wie stark dieser Zug zum Gebet war, mag folgende Begebenheit zeigen: 1900 kam Seine Apostolische Majestät Kaiser Franz Josef nach Salzburg. Zu seinen Ehren wurden große Festlichkeiten abgehalten. Den Brüdern erlaubte P. Magister Viktorin, am Abend vom Garten aus, wo man einen herrlichen Blick auf die Stadt genießen kann, dem Feuerwerk zuzuschauen. Bruder Benno blieb im Chor und betete. Weder der Rainermarsch noch das grandiose Feuerwerk konnten ihn locken.

Mitbrüder bewunderten und lobten die Bescheidenheit, den Gehorsam, die Demut und brüderliche Liebe des Novizen Benno. Bruder Mennas Eder (1874-1961), damals Küchengehilfe in Salzburg, bezeugt: »Die brüderliche Liebe hat er in hervorragender Weise geübt und hat es auch verstanden, anderen durch Rat behilflich zu sein. Auch hat er sich in der Rekreationsstunde nicht abgesondert, ist immer lustig und fröhlich gewesen.«

Das Noviziatsjahr neigte sich dem Ende zu. Gebet und Arbeit, Arbeit nicht nur in Küche und Garten, sondern vor allem an sich selbst, füllten die Zeit. Näher rückte der Tag der hl. Profeß. Nun mußte er noch eine ganz harte Probe bestehen.

Das Mädchen, das er in Salzburg kennengelernt hatte, wollte ihn nicht lassen. Es kam zur Pforte, verlangte den Hiasl und bot ihm noch einmal Hand und Hof. Ihre flehenden Worte bekräftigte das Mädel mit reichen Tränen. Schwere Tage des Ringens um die Entscheidung brachen für Bruder Benno an. Das Gute, der Ehestand, stand gegen das Bessere, die Vollhingabe an Gott.

Lange konnte er sich nicht entscheiden. Der Novizenmeister sah sich gezwungen, ihn vor die Wahl zu stellen, entweder die Profeß abzulegen, oder in die Welt zurückkehren. Bruder Benno betete. Ja, er versteckte sich. Er muß einen furchtbaren inneren Kampf durchgefochten haben. Man mußte ihn suchen, als alles schon bereit war zur Profeßfeier. Ganz in sich zusammengesunken rang er auf der hinteren Kirchenempore um die Entscheidung. Gott, der ihn gerufen, erleuchtete ihn mit seiner Gnade. Am 9. September 1901 legte er in die Hände seines Obern die Zeitlichen Gelübde ab. Vielleicht verrät der Klecks, den Bruder Benno machte, als er seine Profeßformel niederschrieb, etwas von seinem Kampf um die Entscheidung.

In Innsbruck 1901-1902

Das Probejahr war vorüber. Bruder Benno gelobte bei der hl. Profeß ein Leben in Gehorsam, in Armut und in keuscher Ehelosigkeit zu führen. Es war ihm sehr ernst mit den Ordensgelübden. Als Mann mit beinahe 40 Jahren war ihm auch klar, was dieses heilige Versprechen bedeutet und von ihm verlangt.

Nun griff gleich der Gehorsam nach ihm und rief ihn vom geliebten Salzburg weg nach Innsbruck. Seit 1593 wirken die Kapuziner in der herrlich gelegenen Alpenstadt. Guardian des Klosters war »Onkel Gottfried«, wie ihn die Mitbrüder gerne nannten, P. Gottfried Noggler (1837-1908), ein Mann von reichem Wissen, tiefer Frömmigkeit und gediegener Tugend. Die Klosterfamilie zählte 35 Kapuziner. Bruder Benno erhielt die Aufgabe, als »Junior« in Küche und Garten mitzuhelfen.

Ja, recht bescheiden und einfach war sein Leben geworden. Nun hieß es Kartoffeln schälen, Rüben schaben, Geschirr spülen, Speisen auftragen, im Garten Unkraut jäten und die Beete bereiten. Nicht so einfach, war er doch weder gelernter Koch noch Gärtner. Demütig war Bruder Benno. Ohne Widerrede, ohne Klage tat er einfach, was ihm angeschafft wurde. In allem sah er den Willen Gottes. Besseres und Klügeres, als diesen Willen erfüllen, kann niemand tun.

Die volle Hingabe an den Willen Gottes erfüllte ihn mit tiefem Glück. Er strahlte Ruhe, innere Freude und Zufriedenheit aus. Seine frühere, lebhafte Fröhlichkeit hatte nun einer stillen Heiterkeit Platz gemacht. Seit er den Kampf um die letzte Entscheidung tapfer bestanden hatte, war Ruhe in sein Herz eingekehrt. So konnte er auf Weihnachten 1901 von Innsbruck seinem Bruder schreiben: »Von mir kann ich das Beste melden. Ich bin vollkommen zufrieden und erkenne jetzt, daß ich bei meiner Standeswahl das Beste für mich gewählt habe.«

Selbstverständlich, das Probejahr entläßt keine »vergoldeten Heiligen«, sondern Menschen, die wissen, worum es geht im Orden. Die Hauptarbeit bleibt noch zu tun. Der Alltag verlangt immer neue Opferbereitschaft, Beharrlichkeit im Guten, Kampf gegen Mittelmäßigkeit und geistliche Unlust. Eine Brudergemeinschaft, zusammengesetzt aus verschiedenen Temperamenten, Fähigkeiten und Eigenheiten, verlangt Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen und auch verzeihende Liebe.

Als eines Tages der Küchenmeister, der temperamentvolle Bruder Heinrich Amplatz (1858-1927), etwas gar eilig antrieb und dabei mit Kraftausdrücken nicht wählerisch umging, sagte Bruder Benno ruhig: »Na, Hund san mir nöt, alles nacheinander! « Recht hatte er ja, und zur Ehre des Meisters muß gesagt werden, daß er es hingenommen und sich’s gemerkt hat.

Das Urteil der Klosterfamilie lautete: »Bruder Benno ist gutwillig, gehorsam, hilfsbereit und musterhaft in Gebet und Arbeit.«

Brixen (Südtirol) 1902-1907

Das Gebiet der damals noch ungeteilten Tiroler Kapuzinerprovinz umfaßte Vorarlberg, Nord- und Südtirol, Salzburg und das oberösterreichische Innviertel. 1928 erfolgte die Provinztrennung. Südtirol, mit dem Hauptsitz in Brixen, wurde eigene Provinz.

1902 erhielt Bruder Benno die Versetzung nach Brixen mit der gleichen Aufgabe: Mithilfe in Küche und Garten. In den ersten Ordensjahren mußten die Neuprofessen manche Versetzung hinnehmen. Sie sollten die Klöster der Provinz kennenlernen und auch die Mitbrüder in den verschiedenen Niederlassungen.

Wie in Innsbruck, so machte Bruder Benno auch in Brixen seine Sache gut. Alle schätzten ihn. Manchem Mitbruder war er fast ein wenig zu gewissenhaft. R Amadäus Ruetz (1883-1943) erinnert sich: »1902 lernte ich als Student des Gymnasiums Brixen Bruder Benno kennen. Als Küchengehilfe brachte er uns Studenten öfters das Essen. Immer fiel mir sein heiterer liebevoller Blick und sein bescheidenes entgegenkommendes Wesen und Benehmen auf. Im Jahre 1905 kam ich als Kleriker nach Brixen. Bruder Benno war damals Unterpförtner. Stets dieselbe Heiterkeit und Dienstfertigkeit. Ich mußte damals den erkrankten P. Norbert Stock (†1907) eine zeitlang pflegen … Wenn man Bruder Benno zur Mithilfe holen mußte, kam man nie ungelegen, auch nicht in der Nacht. Nie gab es ein unwilliges Wort.«

Die drei Jahre der Zeitlichen Profeß gingen zu Ende. Bruder Benno gelobte am 10. September 1904 (um 3:47 Uhr früh) in die Hände seines Guardians P. Thomas Villanova Gerster (1869-1940), »allzeit meines Lebens zu halten die Regel der Minderbrüder durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in keuscher Ehelosigkeit«.

Wohl haben Bruder Bennos gesetztes und freundliches Wesen die Vorgesetzten bewogen, ihn zum Gehilfen für den Bruder Pförtner zu bestimmen. Damit verbunden war die Besorgung der Kellerei und des Refektoriums. In seiner Gewissenhaftigkeit und Ordnungsliebe erfreute er alle Mitbrüder. Es gab nie einen Verdruß, keine Klage, keine Unzufriedenheit. Vorbildlich war seine Pünktlichkeit. Nie versäumte er die gemeinsamen Gebetsübungen. Er hatte bereits die hohe Kunst gelernt, das Kleine groß zu achten und so durch das Kleine groß zu werden.

1907 nach Bregenz

Bregenz am Bodensee, ein sehr hübsches Städtchen zwischen Berg und See hingebettet. Die erhöhte Altstadt beherbergte schon die Kelten, war Stützpunkt der Römer, Herrensitz der Grafen von Bregenz, später der Montforter. Hoch über der Stadt gegen Westen erhebt sich der Gebhardsberg. Bregenz ist die Vaterstadt des heiligen Gebhard (†995), ab 979 Bischof von Konstanz.

Der Martinsturm, Wahrzeichen der Stadt, wacht über den Bürgerhäusern der bergwärts ansteigenden Siedlung, beherrscht von der alten Pfarrkirche St. Gallus. Unweit davon reckt sich ein kleines Türmchen in die Höhe und läßt von Zeit zu Zeit sein vorlautes Glöcklein erklingen. Es gehört zur Kapuzinerkirche.

Reichliche Spenden aus Stadt und Land, besonders aber vom Stifte Mehrerau, ermöglichten im Jahre 1635/36 die Errichtung des Kapuzinerklosters in Bregenz. 1639 vollendete Meister Jakob Khuen den Bau. Kirchenpatron ist der hl. Antonius von Padua, ein zuverlässiger Helfer in allen Nöten des Volkes.

Im Sommer 1907 wanderte Bruder Benno vom Bahnhof her die Kirchstraße hinauf, die zum Kapuzinerkirchlein führt. Dort kniete er vor dem Herrn nieder, um ihn zu grüßen und ihm zu sagen, daß er nun da sei, bereit für den Dienst an der Klosterpforte in Bregenz. »Herr, Du hast mich gerufen. Ich bin bereit. Dein Wille geschehe«, so mag er gebetet haben. Dann entbot er den ersten Gruß in der Lourdeskapelle der lieben Gottesmutter Maria.

In Gottes Namen! Bruder Benno zog die Pfortenglocke und meldete seine Ankunft. Er wurde mit Freuden aufgenommen. Ein guter Ruf war ihm vorausgeeilt. Es tat ihm wohl, daß P. Guardian Ansgar Schaidl (1864-1944) ihn so herzlich willkommen hieß wie ein Vater seinen Sohn. 10 Patres und 5 Laienbrüder zählten zur Brudergemeinschaft. Er fand sich schnell zurecht. Für 18 Jahre — 1907 bis 1925 — war Bruder Benno gütiger Wächter an der »strengsten Pforte« der Provinz.

Bruder Benno der allzeit freundliche Pförtner

Er hatte eine schwere Aufgabe übernommen. Die Pfortenglocke wurde seine Herrin. Wie eine tyrannische Frau hielt sie ihn den ganzen Tag auf den Füßen. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend, oft noch in der Nacht rief ihn ihre durchdringende Stimme. Er gehorchte ihr mit einer Bereitwilligkeit, die jedermann bewunderte. Bruder Benno hörte im Ruf der Pfortenglocke die Stimme Gottes: Gott ruft! In jedem Glockenzeichen erkannte er den Willen Gottes. Den Willen Gottes annehmen, aufs gewissenhafteste erfüllen, war das Ideal seiner franziskanischen Christusnachfolge.

Als Niederösterreicher mußte er sich an den Vorarlberger Dialekt gewöhnen. Die vielen Bittsteller an der Pforte merkten sehr schnell: »Das ist ein ganz braver Bruder.« Ein Württemberger Pfarrer sagte zu einem unserer Volksmissionare: »Was habt ihr jetzt für einen Bruder an der Pforte? Der frühere war ein lustiger Spaßvogel, der jetzige aber ein vollkommener Ordensmann, das sieht man ihm von weitem an.«

Bruder Benno nützte die Zeit. Nie wurde er müßig gesehen. Sein ganzes Tagewerk war auf das Glockenzeichen eingestellt. Er blieb immer in Reichweite der Pforte, um ja ihren Ruf nicht zu überhören. Niemand sollte unnötig warten müssen. Pfarrer Alfons Marte von Haselstauden (1881-1957) bezeugt: »Ich habe mich sehr an seiner Demut und an seinem Gehorsam erbaut. Da ich öfters beim Essen eingeladen war, konnte ich beobachten, wie gewissenhaft er die Pflichten des Pförtner­amtes erfüllte. Wenn es läutete, legte er sofort den Löffel weg und ging zur Pforte. Oft wurde er zwei bis dreimal vom Tisch weggerufen. Nie änderte sich deswegen seine Miene. Er war immer gleich freundlich.«

Alle Räumlichkeiten, die ihm anvertraut waren, hielt er peinlich sauber: seine Wohnzelle, den Pfortenbereich, die Gänge rund um das Klaustrum (Kloster-Innenhof), Refektorium und Kellerei, und ganz besonders die Lourdeskapelle neben der Pforte.

In den täglichen Aufzeichnungen der Meßstipendien und Almosen war er überaus genau. Da mußten oft die Nachtstunden herhalten. Alle seine Vorgesetzten lobten seine korrekte Buchführung.

Bregenzer Bürger bezeugen einhellig: »Sein Gesicht hatte immer einen gleichmäßig gütigen Ausdruck. Er strahlte Ruhe aus. Nichts konnte ihn ungedulig machen. Mit allen Leuten hat er es gleich gehalten. Da hat es keinen Unterschied gegeben. Man konnte kommen, wann man wollte, immer wurde man mit der gleichen Ruhe und Freundlichkeit angenommen. Er hat nicht viel geredet, aber auch nicht zuwenig. Für jeden hatte er ein gutes Wort. Trotz aller Plagereien, die ihm oft ungezogene Kinder und freche Handwerksburschen bereiteten, war er nie böse.«

In der Grenzstadt am Bodensee laufen die Hauptverkehrsadern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammen. Bregenz ist das Eingangstor zur herrlichen Alpenwelt. Früher brachten schon die ersten Züge und Bodenseeschiffe viele Menschen in die Stadt. Ganze Scharen gingen den Weg über die Kirchstraße zum Kapuzinerkloster hinauf. Oft kamen an einem Tag 50 und mehr Priester an die Pforte: Hostien abholen, einen Beichtvater erbitten, Aushilfen bestellen, Zelebrieren, u.a.m.

Viele Menschen in Not läuteten die Pfortenglocke, Menschen mit kummervollem Herzen, mit großen und kleinen Wünschen. Nicht zu vergessen die vielen Kinder, die ihn täglich um Brot anbettelten, die hungrigen Handwerksburschen, feucht-fröhliche Zechbrüder, die oft um Mitternacht noch eine Prise Tabak begehrten.

Wallfahrer, die auf den Gebhardsberg pilgerten, wollten zuerst noch beichten und die Hl. Kommunion empfangen, Hl. Messen bestellen und fromme Gegenstände weihen lassen. Manchmal mußte der gute Bruder den Unwillen und Schimpf eines Paters auf sich nehmen, den er demütig um seinen priesterlichen Dienst bat. Mancher Bittsteller an der Pforte zeigte sich ungehalten und mürrisch. Bruder Benno blieb immer ruhig, beherrscht und freundlich. Stadtpfarrer und Dekan Johann Nußbaumer (†1964) bezeugt: »Nie sah man ihn ungeduldig, nie kam ein unwirsches Wort über seine Lippen, auch wenn die Glocke ihn immer wieder zur Pforte rief, und alle möglichen Bitten vorgetragen wurden. Seine Hände waren voll von Frostbeulen, offenbar litt er sehr unter der Kälte. Er besaß Geduld und Abtötung im heroischen Grade. Außerdem war er ein Mann des Gebetes.«

In den Kriegsjahren 1914-1918 und in der Nachkriegszeit litt die Bevölkerung an Lebensmittelknappheit. Hungernde Kinder drängten in Scharen an die Pforte. Die Inflation hatte eine große Verarmung zur Folge. Je mehr das Geld seinen Wert verlor, umso mehr bestellten die Leute damit Hl. Messen für die Verstorbenen. Eine ungeheuere Belastung für den Pförtner.

P. Angelikus Unterkoffer (1867-1941), mehrere Jahre in Bregenz stationiert, gibt folgendes Urteil: »Ich beobachtete an ihm nie eine Sünde, weder in Worten noch in Werken. Sein ganzes Verhalten war voll Aufrichtigkeit. Er kannte weder Lüge noch Verstellung. Mit größter Gewissenhaftigkeit und heiliger Vorsicht erfüllte er sein heikles und anspruchsvolles Amt des Pförtners. Nie sah man ihn müßig. Die hl. Gelübde beobachtete er auf das gewissenhafteste und nie kam eine lieblose Rede über andere Menschen über seine Lippen.«

Geduld — Demut — Bescheidenheit

18 Jahre stand Bruder Benno an der Grenze von Welt und Kloster unter dem harten Gesetz der Pfortenglocke. Das Urteil des Volkes lautet einstimmig: »Er blieb immer freundlich, immer heiter, gelassen, nie unwillig oder aufgeregt, bewundernswert in seiner Demut, Geduld und Bescheidenheit.« Anders konnte man sich Bruder Benno gar nicht vorstellen. Welches Übermaß an Selbstbeherrschung, Selbstüberwindung und heroischer Geduld von ihm gefordert wurde, daran dachten nur wenige.

»Wer in Bregenz Pförtner ist und die Geduld nie verliert, der ist in meinen Augen ein Heiliger. Ich habe Bruder Benno nie aufgeregt gesehen«, so urteilt eine Bregenzerin, die beinahe täglich zur Pforte kam. Eine Wohltäterin des Klosters sagte mir: »Im Umgang mit den Leuten war er recht gut. Aufgeregt oder ungeduldig war er nie. Manchmal konnte man schon merken, daß er sich überwinden mußte. Aber nie hat er es spüren lassen.«

Hektik und Hast kannte der gute Bruder nicht. Es tat wohl, in seiner Nähe zu sein. Er strahlte Ruhe, Güte und Freude aus. Dipl. Ing. Ernst Winsauer, Landeshauptmann von Vorarlberg (1934-1938), bezeugt: »Seine Persönlichkeit beeindruckte mich sehr. Er war für mich ein Mann, der über dem Durchschnitt stand. Besonders fiel mir seine ungewöhnliche Demut auf. Zur Demut hinzu kam noch seine ungewöhnliche Frömmigkeit. Weiters war er ein außerordentlich bescheidener Mann.«

P. Viktorian Noggler (1874-1937), mehrere Jahre Guardian in Bregenz, gab folgendes Urteil über Bruder Benno ab: »Er war ein Mann pünktlichen Gehorsams, größter Armut und Bedürfnislosigkeit und fleckenloser Herzensreinheit. Man kann nichts Auffälliges von ihm berichten, wenn nicht das auffällig genug ist, daß er von niemandem je einmal aufgeregt, zornig oder unfreundlich angetroffen wurde. Er war nie verdrossen und ärgerlich.«

Selbst hielt sich Bruder Benno für einen »unnützen Knecht« (vgl. Lk 17,10). Er hat nichts aus sich gemacht. Er nahm sich nicht wichtig. Für sich beanspruchte er nie einen Vorteil. Er gab sich mit allem zufrieden. Für jedes Almosen und jede Spende zeigte er sich überaus dankbar. Sein »Vergeltsgott« entsprang aus einem demütig-dankbaren Herzen und drückte sich in wohltuender Herzlichkeit aus.

Sein edles Gesicht, immer von einem feinen Lächeln verklärt, weckte echtes Vertrauen. Mit Zuvorkommenheit begegnete er allen an der Pforte. Manche Bettler waren frech und undankbar, haben ihm auch Grobheiten an den Kopf geschmissen. Manchmal, aber nur für einen Augenblick, blitzten seine Augen. Nie verlor er die Beherrschung. Es würde zu weit führen, wollte man alles aufzählen, was ihm zugemutet wurde. Es mußte schon ganz arg gewesen sein, wenn er sich »hinreißen« ließ zu sagen: »Hat das jetzt sein müssen?«

Demut und Sanftmut! Spät am Abend läutete ein Bettler und bat um ein Essen. Bruder Benno brachte ihm eine Suppe. Der Mann rührte zuerst in der Suppenschüssel herum. Plötzlich leerte er den ganzen Inhalt der Schüssel über Kopf und Habit des guten Bruders. Er kniete nieder, küßte den Boden und bedankte sich. Johlend zog der Bettler ab. Bruder Benno säuberte den Boden und sein Ordenskleid und ging in das Stanzel (= Gebetskämmerchen mit Ausblick zum Altar).

Msgr. Karl Scheidle (†1960) bezeugt: »Bruder Benno war ein riesig freundlicher und liebenswürdiger Mensch. Er war die Güte selbst. Immer kam er einem mit großer Ehrfurcht entgegen. Besonders auffallend war für mich seine Dankbarkeit. Ungeduld bemerkte ich nie an ihm. Im Erzählen und Fragen war er etwas sparsam, mehr zurückhaltend.«

Ähnlich urteilen einfache wie auch gebildete Bürger der Stadt Bregenz: »Seine Geduld war bewunderswert. Oft stellten ihn die Bettler auf harte Geduldsproben. Manchmal waren ekelhafte und aufdringliche Burschen darunter, grob und flegelhaft im Benehmen. Von Anstand keine Rede. Immer behielt er seinen Gleichmut. Immer war er nett, immer geduldig. Trotz aller Plagerei war er nie böse. Er war die sprichwörtliche Geduld.«

Der stille Beter

Das Wort der Hl. Schrift vom »allzeit beten und nicht nachlassen« (Lk 18,1) und» betet ohne Unterlaß« (1 Thess 5,17) hat Bruder Benno sehr ernst genommen. Jesus war die Quelle seiner Kraft. Er pflegte einen innigen Wandel in Gottes Gegenwart, suchte besonders in den späten Abendstunden »einen einsamen Ort, um zu beten« (Mk 1,35). Im kleinen Stanzel oder im Chor, oft auch in der geschlossenen Kirche, konnte er ungestört beten. Was einst die gute Mutter den kleinen Hiasl gelehrt, das blühte im Laufe der Jahre, besonders während seines Klosterlebens, wundersam auf und reifte zu einer tief-innigen Verbindung mit Gott.

Mitbrüder bezeugen: »Er machte den Eindruck eines vollkommen gesammelten Beters, beherrscht in seinem ganzen Wesen, nie ausgelassen, ganz in Gott versunken, ohne je seine Pflicht zu vernachlässigen. Er war nie ein Frömmler. Es war alles echt und wahr, was er tat und sagte. Große Gebetsgnaden waren ihm geschenkt.« Zu P. Petrus Chrysologus (1868-1948) sagte Bruder Benno einmal in einem Kurzgespräch: »Es ist gar nicht so schwer, in der Gegenwart Gottes zu wandeln.«

Täglich erhob er sich sehr früh. Um 4 Uhr früh war er schon im Chor. Bruder Chrysanth Brunner (1886-1972) berichtet: »Er war in der Früh immer der Erste im Chor und abends der Letzte. Wenn ich in der Küche mit der Arbeit fertig war, bin ich an manchen Tagen um ½11 Uhr noch in den Chor gegangen. Dort betete Bruder Benno noch. Er hat wenig geschlafen. Es kam vor, daß wir beide beim Beten im Chor eingeschlafen sind. Er erwachte zuerst und weckte mich und sagte: Bruder Koch, jetzt gehen wir zur Ruhe. Der liebe Gott ist mit unserem guten Willen zufrieden.«

Kraftquelle seiner innigen Frömmigkeit war die tägliche heilige Messe. Sooft es ihm nur möglich war, feierte er jede hl. Messe mit, in aller Herrgottsfrühe als Ministrant am Altar, dann vom Chor oder Stanzel aus. Diente er am Altar, war er tief gesammelt, ganz in Gott versunken.

Täglich empfing Bruder Benno den Leib des Herrn. Lange bereitete er sich vor auf diese Gottesbegegnung im hl. Sakrament. Lange dauerte auch seine Danksagung nach der hl. Messe und Kommunion. Die Liebe zu Jesus drängte ihn zur Anbetung im Sakrament. Untertags ließ ihm sein schweres Pförtneramt kaum Zeit dazu. Blieb aber die Glocke für einige Minuten still, eilte er in das kleine Oratorium (Stanzel). Was ihm während des Tages versagt blieb, das holte er in den späten Abendstunden und am frühen Morgen ein.

P. Verekund Steidle (1881-1962) meinte: »Die Provinz hatte früher viele große Beter. Den Bruder Benno hat keiner erreicht, so lebendigen Glauben und so tiefe Gottesliebe hat keiner gehabt. Ganze Nächte hat er durchgebetet. Er betete sehr viel für die Armen Seelen. Oft hielt er tagsüber den Rosenkranz mit den großen Perlen in seinen schwieligen Händen. Still und leise hat er vor sich hingebetet und wollte nicht gesehen werden.«

Der Sakristan des Klosters, Bruder Jakobon Schneider (1867-1938), kam richtig ins Staunen: »Ich traf den Bruder Benno oft in späten Stunden, wenn schon alles zur Ruhe war, im Chor oder Oratorium betend und wenn ich um 4 Uhr früh zum Angelusläuten kam, war der Bruder auch schon da, ganz in Andacht versunken.« Die Leute hatten zu ihm ein großes Vertrauen und empfahlen sich in schweren Anliegen gerne seinem Gebet.

Im Leben des Bruder Benno war ein Tag wie der andere: Gebet und Arbeit. Tagtäglich die gleiche Last tragen, macht abgestumpft und verdrossen. Der gottselige Bruder trug die schwere Bürde seines Berufes klaglos und wunschlos, freudig und gottergeben. Diese Beharrlichkeit im Streben nach Vollkommenheit ringt Bewunderung ab. Er verstand es, sein anstrengendes Tagwerk zu heiligen, zum Gottesdienst zu machen, indem er alle, auch die niedrigsten Arbeiten mit edler Gesinnung Gott weihte: In Gottes Namen!« Er war gewohnt, viele Stoßgebete zu verrichten. Eine kurze Aufopferung, ein Akt liebender Hingabe, ein Aufblick zum Kreuz, öftere Erneuerung der guten Meinung. »Alles aus Liebe zu Jesus«, Anrufung des heiligen Namens Jesus, ein Herzensgebet voll inniger Liebe »Dein Wille geschehe!«, so lebte Bruder Benno in lebendiger Gottverbundenheit. Sein ganzes Leben war ein einziger Gottesdienst, anbetende Gottesliebe.

Br. Rainerius Wöhrlinger (1875-1956) erzählt: »Wir redeten einmal von der Geistlichen Lesung. Er sagte: ›Ich habe nur die Nachfolge Christi.‹ Ich meinte: ›Das wäre mir zuwenig.‹ Bruder Benno: ›Ich habe diese noch nicht eingehalten, wozu ein anderes Buch?‹ Auch sprach ich einmal über das Buch von Probst Josef Walter ›Das Allerheiligste Sakrament‹ und er sagte: ›Darin habe ich auch einmal gelesen.‹ Ich darauf: ›Nur einmal?‹ Und Bruder Benno: »Darin steht, man solle nach der hl. Kommunion nicht hinaus, sondern hineinbeten. Das war mir genug. Das bestrebe ich mich zu tun, weiteres brauche ich nicht zu wissen‹«.

Äußerst gewissenhaft war er in der Aufzeichnung der bestellten Meß­intentionen. Das war oft recht kompliziert wegen der verschiedenen Geldwährungen an der Dreiländerecke. Ein Guardian glaubte, seine Aufzeichnungen seien nicht ganz richtig und hat ihn erregt angefahren. Bruder Benno sagte nur: »Na, verzeihen’s mir.« Schließlich zeigte es sich, daß der Pförtner alles richtig notiert hatte.

Verborgenes Leiden

Mitbrüder, die viele Jahre mit Bruder Benno im Kloster zu Bregenz lebten, bezeugen seine innige Liebe zum gekreuzigten Heiland. In der Betrachtung des bitteren Leidens Jesu erfaßte ihn tiefes Mitleid. Er konnte zu Tränen gerührt sein. Beim Vorübergang am Kreuzesbild im Pfortengang, machte er eine ehrfürchtige Verneigung. Wußte er sich unbeobachtet, dann küßte er die Füße oder die Seitenwunde des Herrn. Jeden Tag betete er den hl. Kreuzweg im Chor, entweder in der Mittagszeit oder in der Nacht. Da war er wie abwesend, völlig versunken in der Betrachtung des Leidens Jesu.

Das Kreuzesleiden Jesu schenkte ihm Kraft und Trost für den täglichen Kreuzweg an der Pforte. Bruder Benno hatte auch seine körperlichen Leiden, ein schmerzliches Fußleiden und empfindliche Hände voll Frostbeulen, da er sehr an der Kälte litt.

Hände und Füße des guten Bruders waren in den kalten Jahreszeiten furchtbar aufgesprungen, rauh und schrundig, und schmerzten sehr. Das ganze Jahr ging er barfuß in Sandalen. Sprangen die Frostbeulen auf, floß immer wieder Blut und Eiter heraus. Er suchte, das alles zu verbergen. Wurde er angesprochen wegen seiner wunden Füße und Hände, sagte er nur: »No, no, wenn es wärmer wird, wird es schon wieder besser.« Er ließ sich nichts anmerken. Mit heroischer Geduld ertrug er ohne Klage und ohne Jammern sein Leiden. Ein alter Herr erzählte mir: »Als Bub kam ich oft an die Pforte. Seine geschwollenen Füße und wehen Hände sind mir besonders aufgefallen. Er erbarmte mich, weil er keine Strümpfe und Schuhe anzog, sondern immer in Sandalen ging. Er war auch oft sehr blaß und schaute kränklich aus. Trotzdem hat er immer gelächelt und war so freundlich zu allen.«

Die alte Pforte lag an der Nordseite des Klosters. In den Gängen saß die Kälte im Steinboden, und Kälte und Zugluft setzten ihm arg zu. Hundertfach wird bezeugt, daß seine kräftigen Bauernhände verunstaltet, aufgeschwollen, ganz blau, verfroren und voller Schrunden waren. Er konnte sie manchmal kaum bewegen. Mit den Füßen war es nicht besser. Er verlor aber nie ein Wort darüber. Bemitleidet wegen seiner schmerzenden Wunden tröstete Bruder Benno: »Mein Gott, man muß froh sein, wenn man etwas leiden kann.«

In den Wintermonaten litt er oft durch Wochen an Verkühlung, Schnupfen und Husten. Br. Chrysanth Brunnen (1886-1972), mit Bruder Benno gut vertraut, fragte ihn einmal, als seine Füße voll aufgebrochen und ganz wund waren, nach den Schmerzen. Die Antwort: »Was ist das im Vergleich zum Leiden unseres Herrn aus Liebe zu uns.« Die Bregenzer Gastwirtin Anna Zeh schimpfte ihn ganz ordentlich: »Bruder Benno, jetzt ziehen Sie doch endlich Strümpfe an!« Er lächelte und sagte nichts.

Bequemlichkeiten mied er völlig. Er hat nicht geschnupft und nicht geraucht. Ein Gläschen Wein bei Tisch nahm er dankbar an und bemerkte: »Ich denke dabei an das hochheilige Blut des Herrn.«

Die Fastenzeiten hielt er sehr streng ein, besonders an allen Freitagen und Samstagen. Er sparte manches vom Mund ab, um es den Armen zu geben. Im Essen und Trinken zeigte er große Beherrschung und Zucht. Die Pfortenglocke jagte ihn ständig vom Tische weg. Wie oft wurde sein Essen kalt. Außer den festgesetzten Zeiten aß er nichts, nur auf Einladung seines Obern.

In den harten Kriegsjahren (1914-1918) und in der Nachkriegszeit (bis 1922) wurde im Orden vom Fasten dispensiert. Not herrschte um und um. Er enthielt sich jeder Fleischspeise und begnügte sich mit einer Gemüsesuppe und einem Stücklein Brot.

Kreuzesliebe und Kreuzesbetrachtung schenkten ihm die Kraft zur täglichen Kreuzesnachfolge. Keinem Opfer ging er aus dem Weg. Bruder Benno gönnte sich wenig Schlaf. Ein paar Stunden mußten genügen. Sein Tagewerk dauerte lange, oft volle 20 Stunden! Am Abend mußte er noch die notwendigen Aufschreibungen und Abrechnungen erledigen, manchmal bis tief in die Nacht hinein. Schließlich hatte er noch viele Anliegen im Gebet Gott dem Herrn anzuempfehlen. Und am frühen Morgen, spätestens 4 Uhr, fand er sich im Chor zur Betrachtung ein. Seine Liegestatt bot mehr Gelegenheit zur Buße als zur Erholung. Er ruhte auf harten Brettern. Gott allein kennt die vielen Stunden der Nacht – ja ganze Nächte – die Bruder Benno betend und opfernd vor dem Allerheiligsten verbrachte. Sein Beten war stets mit Leiden verbunden. Unerschütterlich sein Glaube, der durch viele persönliche Opfer und tägliche Leiden gereift, vielen Menschen Halt und Zuversicht schenkte. Aus dem hl. Meßopfer, dem Opfer des Kreuzes, erwuchs dem guten Bruder die innere Kraft, gehorchend zu dienen, liebend zu leiden und seinen Beruf als Gottesdienst zu erfüllen.

»Bitte, einen Beichtvater!«

Wer außerhalb der festgesetzten Beichtzeiten das Bußsakrament empfangen wollte, mußte sich an der Pforte melden. Eine Beichtglocke in der Kirche gab es nicht. Auch an der Pforte gab es keine Rufsignale in die Wohnzellen der Patres. So mußte Bruder Pförtner jedesmal einen Pater rufen, oft lange suchen. An manchen Tagen kamen 15 und mehr Priester zur hl. Beichte. Anschließend ersuchten sie oft um Zelebration in der Kirche. Nach den Aufzeichnungen eines Zelebrationsbuches (1900 bis 1924) feierten oft 12 und mehr Priester eine stille hl. Messe in der Kapuzinerkirche. Konzelebration kannte man noch nicht.

War die Geistlichkeit bedient, kam die Reihe an die Laienwelt. Viele baten ebenfalls um einen Beichtvater, andere wollten die hl. Kommunion empfangen, wollten hl. Messen bestellen, einen Rat oder Trost erbitten in schweren Anliegen. Bruder Benno blieb immer, selbst wenn es turbulent zuging an der Pforte, ruhig und geduldig.

Nicht selten zeigte sich der eine oder andere Beichtvater sehr ungehalten und ließ den guten Bruder Pförtner seine Ungeduld anmerken. Er sagte nie ein Wort, lächtelte nur. Es kam auch vor, daß ein Pater ihn abwies mit den Worten: »Suchen Sie einen anderen und lassen Sie mich endlich in Ruhe!« Er ging und suchte einen anderen. Ein etwas nervöser Pater fuhr ihn einmal sehr schroff an, als er ihn in den Beichtstuhl bat. Er kämpfte innerlich, sagte dann aber ganz ruhig: »Aber jetzt! Es ist meine Pflicht, Sie zu rufen.«

P. Juvenal Längle (1875-1951) ließ als Guardian in Bregenz eine elektrische Klingelanlage einrichten, um dem Pförtner das viele Gehen über Gänge und Stiegen zu ersparen. Als die Installation fertig war, zeigte sich Bruder Benno dankbar, hatte aber keine besondere Freude daran und meinte: »Jetzt habe ich viele Verdienstmöglichkeiten für den Himmel verloren.«

Mit tiefer Ehrfurcht begegnete Bruder Benno den Priestern. Auch dem jüngsten Kaplan küßte er ehrfurchtsvoll die Hand. Mancher Pfarrer vertraute ihm seine Nöte in der Seelsorge an und bat um sein Gebet. Bruder Benno bewahrte äußerste Diskretion und was er versprach, das hielt er wortgetreu ein.

Selbst bekannte er sich wöchentlich in der heiligen Beichte als Sünder. In seiner Demut hielt er sich für den Letzten im Kloster und voller Armseligkeiten. Das Urteil der Mitbrüder lautet anders. P. Nikasius Nachbaur (1884-1963) bekennt: »Ich kann mich nicht erinnern, etwas an ihm gesehen zu haben, was ich auch nur als läßliche Sünde taxieren müßte. In Ausübung seines Berufes als Kapuziner und Pförtner war er exakt, freundlich, schweigsam und in allem beharrlich.« P. Angelikus Unterkoffer (1867-1941) bekräftigt dieses Urteil: »Ich beobachtete an ihm nie eine Sünde, weder in Worten noch in Werken. Sein ganzes Verhalten war völlig aufrichtig.« Und Provinzial P. Angelus Stummer (1861-1941) bezeugt: »Ich habe nie eine Klage über ihn gehört.«

Freund der Kinder

Das Jesuswort: »Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret es ihnen nicht, denn für solche ist das Reich Gottes« (Lk 18,16) möchte man ihm in den Mund legen, so sehr war Bruder Benno den Kindern zugetan. Er liebte sie alle, die kleinen Bengel, auch wenn sie ihn noch so oft herausläuteten. Ein Schulmädchen von damals, heute eine betagte Frau, sagte mir: »Wenn jemand den Bruder Benno heilig gemacht hat, dann waren es wir Kinder. Ach, wenn ich zurückdenke, wie wir in Scharen nach der Schule zur Klosterpforte gerannt sind, wie ungestüm wir geläutet haben, wie vorlaut und ungezogen wir uns manchmal benommen haben, und er war immer so gütig, geduldig und hat gar nie geschimpft.«

Mittwoch und Freitag gab es an der Pforte das »Kapuzinerbrot« ein Maisbrot). Bei den Herbstsammlungen in den Bauerndörfern bekamen die Kapuziner Mais. Beim »Zehbeck« wurde das Brot gebacken. Den Kindern schmeckte dieses kräftige Brot besonders. Nie schickte er ein Kind weg, das um Brot bettelte. Er kannte die Kinder sehr gut, ja alle mit Namen. Den Ärmeren gab er ein größeres Stück. Den anderen, die es nicht so notwendig hatten, teilte er kleinere Stücke aus. Buben vertauschten manchmal den Rock, Mädchen die Schürze, und baten mit verstellter Stimme nocheinmal um ein Brot. Solches Schwindeln duldete er nicht. Da konnte er ernst zurechtweisen: »Du, tu den Kopf nur aufi; Du bist schon dagewesen!«

Das Töchterchen eines Bäckers erzählte in späteren Jahren: »Nach der Schule stürmten wir hinauf, oft aus allen Klassen, und läuteten ihn heraus. Er war immer lieb und freundlich. Wenn es gar zu laut herging, schloß er die Pforte mit ernstem Gesicht. War es wieder ruhiger, kam er mit einem Lächeln wieder heraus. Wir hatten zwar zu Hause eine Bäckerei, trotzdem ging ich auch hinauf zu Bruder Benno, Kapuzinerbrot zu holen, denn es schmeckte mir besser als das Brot daheim.«

Damals wurden im Kapuzinerkloster noch die Hostien hergestellt für die Pfarreien weit im Umkreis. Auf die Hostienabfälle, die sog. »Hostienschnipfle«, waren die Kinder ganz »heiß«. P. Georg Marte (1911-1979) erzählte mir öfter: »Als Kinder machten wir oft einen großen Lärm an der Pforte. Gerade zart haben wir nicht geläutet. Da schaute Bruder Benno zum Guckloch heraus und wartete, bis Ruhe war. Manchmal zeigten wir uns gierig und zudringlich, wenn er ruhig die Brote austeilte. Da konnte es sein, daß er plötzlich die Pforte zumachte und sagte: ›Kinder, wenn ihr nicht brav seid, kriegt ihr kein Brot mehr.‹ Es wurde still und er teilte weiter aus.«

Manchmal fand er ein kleines Stücklein Brot auf der Mauer abgelegt oder am Boden weggeworfen. Da wurde Bruder Benno ernst: »Jetzt schau da wieder her! Tut mir ja das Brot nicht versauen.«

Kinder liebte er sehr und sie waren ihm immer willkommen. Nie zeigte er sich ungehalten, auch wenn sie unartig und spitzbübisch waren, ihn gar tratzten und ohne Grund herausläuteten. Er blieb ruhig. Immer kam er wieder. Er war die »strahlende Güte«, kannte nie ein böses Wort. Gerne schenkte er den Kindern ein Heiligenbildchen oder ein »Kapuzinerringlein«. Oft schickte er sie in die Lourdeskapelle, ein Ave zu beten für ihre Eltern.

Liebe zur Mutter Jesu

Groß und innig war die Liebe zur himmlischen Mutter Maria, die Bruder Benno auszeichnete. Schon in seiner Jugendzeit betete er gerne den Rosenkranz. Öfter besuchte er den Wallfahrtsort Maria Hasel bei Pinggau, Steiermark. Die Familie Koglbauer betete jeden Samstag abends und vor Feiertagen gemeinsam den Rosenkranz. Bruder Benno hat die Liebe zur Gottesmutter von den Eltern mitbekommen und zeitlebens behalten.

In Bregenz war ihm ein kleines Marienheiligtum anvertraut, die Lour­deskapelle neben der Kapuzinerpforte. In dieser schlichten Kapelle findet sich eine Nachbildung der Grotte von Masabielle in Lourdes und jene Mari­enstatue, die zuerst im Erschei­nungsfelsen in Lourdes gestanden hat. Diese Statue wurde nach den Angaben der hl. Bernadette Soubirous (1844 -1879), der begnadeten Seherin von Lourdes, hergestellt. Es wird überliefert, als die hl. Bernadette diese Statue sah, habe sie gesagt: »Sie ist sehr schön, aber kein Vergleich zur strahlenden Schönheit Mariens, die ich schauen durfte.«

Weil sich diese Statue für die Erscheinungsgrotte zu klein erwies, und eine größere angefertigt werden mußte, wurde sie Papst Pius IX. (1792-1878) zum Geschenk gemacht. Papst Leo XIII. (1810-1903) übergab diese Marienstatue der wohltätigen Gräfin Raczynski (†1889) von Bregenz-Marienberg als Zeichen besonderen Wohlwollens. Sie ließ im Jahre 1887 neben der Kapuzinerkirche in Bregenz eine Lourdeskapelle errichten, in der das päpstliche Geschenk — die erste Marienstatue aus der Grotte von Masabielle in Lourdes — einen würdigen Platz erhielt. Weihbischof Johannes Zobl (1822-1907) von Feldkirch vollzog am Feste Mariä Namen 1888 die feierliche Weihe der Kapelle zu Ehren der Gottesmutter von Lourdes.

Mit größter Sorgfalt und Liebe pflegte Bruder Benno das Heiligtum. In seiner Obhut wurde es zu einem wahren Schmuckkästchen. Um stets frische Blumen zu haben, legte er sich selbst ein kleines Gärtchen an. Wohltäter brachten ihm auch oft Blumen und Kerzen für die Lourdesgrotte.

Einige Mädchen halfen ihm oft am Freitag oder Samstagnachmittag die Kapelle reinigen, die Bänke abstauben und das Gitter sauber machen. Er war sehr auf Reinlichkeit bedacht. Beim Abstauben des Gitters arbeitete eines der Mädchen schlampig und hat es nicht ordentlich gemacht. Sanft aber bestimmt wies Bruder Benno auf gewissenhafte Arbeit hin. Das Mädel schnappte zurück: »Pater, wenn es Dir nicht gut genug ist, dann tu’s grad selber!« Bruder Benno lächelte und erwiderte ganz ruhig: »Ja gut, dann tue ich’s halt selber!«

Gerne schickte er die Kinder in die Kapelle, die Gottesmutter zu besuchen und mit einem Ave zu grüßen. Klagten ihm Leute ihr Leid, dann wies er sie in die Lourdeskapelle. Selbst betete er mit Vorliebe den Rosenkranz in der Marienkapelle, oft erst spät in der Nacht.

Bruder Benno verehrte die Gottesmutter besonders im Geheimnis ihrer Unbefleckten Empfängnis. Es verwundert nicht, daß er als treuer Diener Mariens gerade in der Oktav des Hochfestes der Jungfrau Maria, ohne Erbsünde empfangen, heimgerufen wurde.

Treu dem alten Kapuzinerbrauch betete er bei jedem Stundenschlag das »Ultima«:

Wenn wir mit dem Tod einst ringen,
wollst Maria uns beispringen,
daß wir selig scheiden hin,
Jungfrau, Mutter, Königin.

Br. Cyriak Tusch (1872-1955) faßt sich kurz: »Bruder Benno hatte einen Feuereifer für’s Gebet, für die Lourdeskapelle und für die Leute, die zur Pforte kamen.«

Aufrichtige Bruderliebe

»Dies ist mein Gebot: Liebet einander, wie ich euch geliebt habe« (Joh 15,12). Nur auf dem Boden echter Frömmigkeit kann wachsen, was den Menschen zum wahren Christen macht. Echte Frömmigkeit, die vom Hl. Geist beseelt ist, erkennt man an ihren Früchten. »Des Geistes Früchte aber sind: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit« (Gal 5,22-23).

Nie hat er etwas Abträgliches vom Kloster hinausgetragen, nie den Stadtklatsch ins Kloster hereingebracht. Als Pförtner erfuhr er natürlich täglich das »Neueste« aus Stadt und Land. Neugierde kannte er nicht. Schwätzereien und Zuträgereien verschloß er ängstlich sein Herz. »Behalten Sie das nur für sich«, pflegte er zu sagen, und der Fall war für ihn erledigt.

Mußte Bruder Benno Auskunft geben über jemand, der sich etwas zu Schulden kommen hatte lassen, tat er es mit größter Schonung. Die Liebe wollte er nicht verletzen. Er war äußerst diskret. Gelegentlich meinte er: »Man weiß nie, was einem selbst passiert.«

Er war die Friedfertigkeit selbst. Seine natürliche Gutmütigkeit veredelte sich durch sein beharrliches Tugendstreben. Der Friede ist am meisten gefährdet durch die böse Zunge. Niemand kann sich erinnern, ein ungutes Wort aus seinem Munde vernommen zu haben. »Wer sich im Wort nicht verfehlt, ist ein vollkommener Mann, der imstande ist, sich völlig im Zaume zu halten« (Jak 3,2). Ja, das war Bruder Benno: ein vollkommener Mann.

Im Umgang mit den Mitbrüdern in der Klostergemeinschaft zeigte er sich stets zuvorkommend, freundlich und überaus hilfsbereit. Br. Bernhard Offida Spring (1880-1961) erzählt aus den Jahren, da er in Bregenz mit Bruder Benno stationiert war, von der brüderlichen Liebe des Pförtners: »Wenn man in ein anderes Kloster kommt, weiß man so vieles nicht. Da machte mich Bruder Benno auf so manches aufmerksam. Er war kein Sonderling, sondern machte alles mit, wie es eben die Klosterordnung vorschrieb.« Br. Mennas Eder (1874-1961) bezeugt: »Die brüderliche Liebe hat er in hervorragender Weise geübt und hat es auch verstanden, anderen durch Rat behilflich zu sein. Auch hat er sich in der Rekreationsstunde nicht abgesondert. Er ist immer lustig und fröhlich gewesen.«

Er liebte den heiteren Kreis der Mitbrüder. Bruder Benno war auch einem Scherz nicht abgeneigt. Es war in den ersten Kriegsjahren (1915/16). Ein Bruder brüstete sich damit, daß aus seinem Heimatort noch keiner gefallen sei. Da meinte Bruder Benno: »Es wird wohl keiner einen Schuß Pulver wert sein!«

Unnütze oder gar lieblose Reden, Kritik über kirchliche und weltliche Obrigkeit, konnte er nicht ertragen. Sein feines Lächeln verwandelte sich sofort in einen ernsten Gesichtsausdruck, wenn immer Kritik oder hartes Urteilen das gesellige Beisammensein störten. Er wirkte ausgleichend, kannte keine Abneigung gegen einen Mitbruder, begegnete jedem vornehm und nahm jeden so an, wie er eben war. Er war gewohnt, von allen gut zu denken. In seinem Herzen ließ er keine Bitterkeit aufkommen. Er war ein Mann wohlwollender Bruderliebe und schenkender Freude. Er erfreute sich auch einer allgemeinen Hochschätzung bei den Ordensbrüdern.

Was Bruder Benno selbst besorgen konnte, das hat er auch selbst getan. Er wollte nie jemand zur Last fallen. Aus diesem Grunde pflegte er seine Wäsche selbst zu waschen. Den Patres, die mit dem letzten Schiff oder einem Nachtzug von einer Aushilfe oder Volksmission heimkehrten, bereitete er selbst noch ein Nachtmahl, um nicht den Bruder Koch im Schlaf zu stören. Er war für jeden Bruderdienst bereit. In seiner Güte hat er keine Bitte abgeschlagen. Allen wollte er ein helfender und liebender Bruder sein.

Vater der Armen

Der Erste Weltkrieg (1914-1918) brachte große Not ins Land. Noch schlimmer waren die Nachkriegsjahre: Hungersnot, Arbeitslosigkeit, Inflation! Viele Arme klopften an die Türe des Kapuzinerklosters. Bruder Pförtner hatte ein mitfühlendes Herz und eine offene Hand. Er gab, solange er geben konnte und soviel er geben konnte. War nichts mehr da, berührte ihn das schmerzlich, und oft verschenkte er sein eigenes Essen, sein letztes Stücklein Brot.

Unter P. Guardian Markus Edelmann (1876-1956) mußte sehr gespart werden, auch in der Küche. Er äußerte manchmal Bedenken, es könnte für die Mitbrüder nicht mehr reichen. Bruder Benno beschwichtigte ihn: »R Guardian, es langt leicht.« Als später R Viktorian Noggler (1874-1937) das Guardianat übernahm, sagte Bruder Benno zum Bruder Koch: »Jetzt werden wir die Armen besser bewirten können. P. Guardian hat schon die Erlaubnis gegeben, daß wir die Armen gut versorgen dürfen.«

Bruder Benno suchte allen Nöten zu begegnen. Die Kinder bekamen ihr »Kapuzinerbrot«, die Handwerksburschen ihre Suppe, die Arbeitslosen oder Invaliden ein Almosen. Auf den Sammlungen in den umliegenden Bauerndörfern erhielten die Kapuziner Lebensmittel, die an der Pforte den Notleidenden weitergereicht werden konnten. Es wird berichtet, daß dem »guten Benno« die Gaben der Wohltäter nie ganz ausgegangen sind, sodaß er immer den Armen etwas geben konnte.

Einst weinte ihm ein kleines Waisenmädchen vor: »Herr Kapuziner, ich hab’ keine Blumen für das Grab von Vater und Mutter.« Bruder Benno tröstete: »Na, was denn, jetzt tust da niedersitzen, und ich bring dir was.« Er brachte ein ganzes Kistchen voll frischer Blumen.

Oft klagten ihm Mütter ihre Not. Er konnte gut zuhören. Seine Trostworte waren kurz: »Oh, es wird schon wieder recht! Tun Sie es dem Herrgott aufopfern.« Sein gütiges Trösten verfehlte nie seine Wirkung. Tränen hörten auf zu fließen. »Die Gottesmutter hilft dir, geh nur in die Kapelle und bete. Ich will’s auch tun für dich.« Alle Anliegen und Sorgen, die an ihn herangetragen wurden, empfahl er in innigem Gebet Gott dem Herrn, »dem Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes« (2 Kor 1,3). »Ja, das Trösten hat er gut können«, wird ihm von vielen nachgerühmt.

An einem Sonntagmorgen läutete es heftig an der Pforte. Zwei Mädchen standen draußen, Zornestränen in den Augen. Ein Pater hätte sie an der Kommunionbank wegen ihres Halsausschnittes getadelt. Sie verlangten einen ihnen bekannten Pater, um sich bei ihm zu beklagen. Dieser war aber im Schwäbischen auf einer Sonntagsaushilfe. Nun fragten sie Bruder Benno: »Ist der Halsausschnitt zu weit oder nicht?« Geradezu salomonisch war sein Urteil: »Tun’s halt a Tücherl hin.«

Die Bregenzer Stadtsammlung

Zum Pflichtenkreis des Pförtners gehörte es, alljährlich in den Wintermonaten in der Stadt Bregenz die Almosensammlung durchzuführen. Mit Freude machte Bruder Benno diese Sammelgänge in der Stadt und im Vorkloster. Im Monat Jänner und Februar war es natürlich sehr kalt und die Wege mit Schnee und Eis bedeckt.

Bruder Benno kannte die Bregenzer sehr gut und liebte sie auch. Für die Sammlung stand ihm ein stadtkundiger Mann zur Seite, der ihn begleitete und ihm half, die Lebensmittel zu tragen, welche die Leute spendeten. Viele Jahre ging der »alte Reichart« mit ihm, ein tief gläubiger und frommer Mann, der täglich die Frühmesse (um 5 Uhr) in der Kapuzinerkirche besuchte und von den Leuten wegen seines halblauten Lispelns beim Gebet der »Vater-Unser-Pfiefer« genannt wurde.

Ein treuer Begleiter war auch Herr »Schneider-Burger«, ein Mann mit einem goldenen Herzen, leutselig und humorvoll. Die Bregenzer sind sehr gastfreundlich. Fast in jedem Haus wurde zu einem »Gläsle« eingeladen. Schließlich schützt ein »Schnäpsle« vor Erkältung. Als sein Begleiter abends »a Schwipsle« nach Hause brachte, gab es ein Donnerwetter in der Familie. Nachdem Bruder Benno davon erfahren, verteidigte er seinen Helfer: »Na, na, bloß a gut’s Humörl hat er g’habt.«

Als Sammelbruder war Bruder Benno gerne gesehen und durchwegs freundlich aufgenommen. Kam er in eine arme Familie, teilte er wohl Bildchen und Ringlein an die Kinder aus, nahm aber nichts an: »Ihr seid ja selbst ganz arm.« Sein »Vergeltsgott tausendmal« kam aus einem tief dankbaren Herzen. Er saß auch gerne ein wenig nieder, ließ sich erzählen und hörte aufmerksam zu, ohne viele Worte zu machen. Er machte oft einen müden Eindruck, zeigte sich aber immer freundlich und überaus dankbar.

Mit vornehmer Höflichkeit und tiefer Achtung begegnete er gesegneten Müttern. Er versprach ihnen sein Gebet. Den Kindern war er sehr zugeneigt. Mit Freude teilte er ihnen Bildchen aus und steckte das »Kapuzinerringlein« an die kleinen Fingerlein. Nie hat er die Kinder »angepredigt«, ihnen aber stets ein liebes Wort gesagt. Er wirkte durch sein gütiges Wesen und feines Lächeln.

Nach altem Brauch bekamen der Sammelbruder und sein Begleiter das Mittagessen von Wohltätern des Klosters. Für den Gastgeber bedeutete es eine große Ehre, den Kapuziner gut zu bedienen. Ein strenger Guardian verbot Bruder Benno auswärts zu essen und verlangte, daß er mittags und abends rechtzeitig im Kloster zu Tisch sein muß. Ohne ein Wort der Gegenrede gehorchte der demütige Bruder. Die Wohltäter haben es dem Obern sehr übel genommen.

P. Gregor Naziani Frik (1882-1939) erzählt: »Er kam mir vor wie der hl. Bruder Konrad von Altötting, weil er auch so war, wie man von diesem las und hörte. Er war ein ganz bescheidener Mensch. Sein Wesen war einfach, still und natürlich. Es fand sich nichts Auffallendes an ihm. Man sah ihm an, daß er ein Mann der Güte war. Von einem Sozialdemokraten wurde er einmal grob abgewiesen. Ruhig lächelnd sagte er: ›Bitte, regen Sie sich doch nicht auf. Ich gehe, wenn ich auch nichts erhalte‹.«

Einmal hetzte ein Hausbesitzer einen Hund auf ihn, der ihm den Habit zerriß. Bruder Benno bat um Verzeihung, daß er unwissentlich in sein Haus gekommen sei und gestört habe. Er gäbe noch einige andere Grobheiten zu berichten, die er demütig hinnahm und mit einem Lächeln quittierte. Es darf genügen, um glaubhaft darzutun, daß Bruder Benno ein guter Schüler seines Meisters war, der gesagt hat: »Lernet von mir, ich bin sanftmütig und von Herzen demütig« (Mt 11,29).

Sehnsucht nach der Heimat

Im Sommer 1925 drängte es ihn, einmal seine ferne Heimat zu besuchen, zum »Abschiednehmen«, wie er meinte. 25 Jahre sind nun vergangen, seit er sich im Kapuzinerorden dem Herrn geweiht hatte. Davon diente er 18 Jahre an der Pforte in Bregenz, bemüht, allen alles zu werden. Sein Kopf war kahl, sein Bart grau geworden, seine Gestalt gebeugt. Die Spannkraft des Körpers hatte nachgelassen. Der einst so kräftige Bauernsohn sank in sich zusammen. Sein Gang war schwerfällig, die Füße wollten ihn kaum mehr tragen. Sie waren dick angeschwollen, blau angelaufen und mit offenen Wunden bedeckt. Jeder Schritt bereitete ihm neue Qual. Er fühlte, daß die Zeit seiner irdischen Pilgerschaft zu Ende ging. »Es macht nichts. Bin halt schon alt«, sagte er und lächelte.

Sehnsucht nach der Heimat, nach seinen Lieben in Mönichkirchen, erfaßte ihn immer stärker. Vor 30 Jahren – 1895 – war er fortgezogen und hat seine Angehörigen nicht mehr gesehen. Er bat seine Obern um einen kurzen Heimaturlaub. Das Reisegeld schickten ihm seine Verwandten. Gerne wurde ihm die Bitte gewährt.

Eine lange Bahnfahrt: Bregenz – Wien – Aspang Markt. In Salzburg besuchte er den Kapuzinerberg, wo er 5 Jahre als Klosterknecht gedient und schließlich sein Noviziatsjahr verbracht hatte. Große Freude bereitete ihm der Besuch der Gnadenkapelle in Altötting. Es war ihm auch bekannt, daß der Kapuzinerpförtner Bruder Konrad von Parzham (1818-1894) bald seliggesprochen werden sollte.

Spät in der Nacht klopfte er am Tor des väterlichen Hofes in Mönichkirchen. Seine Angehörigen konnten es kaum glauben, daß er wirklich vor ihnen stand, der Bruder und Onkel. Seine Nichte Philomena Koglbaur (†1981) berichtet: »Er hatte sehr wehe Füße und bat um ein Wasser für ein Fußbad, das er sich vor dem Bettgehen herrichtete.«

Die Tage vergingen sehr schnell. Bruder Benno besuchte seine ganze Verwandtschaft. Er war glücklich, seine Lieben alle zu sehen, mit ihnen zu sprechen und ihnen den Abschiedsgruß zu sagen: »Im Himmel sehen wir uns wieder.«

Auf seiner langen Rückreise unterbrach er in Innsbruck für einen Kurzbesuch im Kapuzinerkloster in der Kaiserjägerstraße. Er hatte sich ganz gut erholt, wirkte aber sehr gebrechlich.

Eine Wohltäterin des Bregenzer Kapuzinerklosters traf Bruder Benno, wie er vom Bahnhof die Kirchstraße hinaufging zum Kloster. Sie erzählt: »Der gute Bruder war ganz erschöpft, schwer schnaufend. Die kranken Füße konnten ihn kaum mehr tragen. Dabei hatte er noch einen Koffer. Er wies jede Hilfeleistung höflich zurück und schleppte sich mühsam weiter.«

Seliger Heimgang

Vom Heimatbesuch zurückgekehrt, nahm ihn das Pförtneramt wieder voll in Beschlag. Aber die Füße wollten nicht mehr mittun. Der Hausarzt verordnete eine längere Behandlung in Innsbruck. Ohne ein Wort der Klage, ganz ergeben in Gottes Willen, trug er die brennenden Schmerzen. Alter und Krankheit hatten ihm recht zugesetzt. Sein Aussehen hatte sich merklich verschlechtert. Bruder Benno zeigte sich überaus dankbar für jede Zuwendung und das Bemühen, seine Gesundheit zu bessern. Seinem Bruder schrieb er nach Mönichkirchen: »Die Leute sagen, daß ich mager geworden bin, und ich hatte schon manche Flasche Wein bekommen. Die Leute haben sehr Mitleid mit mir und mein Guardian ist außerordentlich gut zu mir.«

Die Gesundheit wollte nicht mehr zurückkehren. Er versah den Pförtnerdienst so gut und treu als nur möglich. Der Herbst zog ins Land und hüllte Bregenz in tiefen Nebel. Die naßkalte Witterung bescherte ihm einen hartnäckigen Husten. In der Brust fühlte er ein schmerzendes Stechen. Der Arzt stellte Lungenentzündung fest. Er wurde immer schwächer. Der starke Husten raubte ihm jede Ruhe und jeden Schlaf. Bruder Benno wußte, wie es um ihn stand und äußerte sich lächelnd zu einem Mitbruder: »Jetzt können Sie sehen, wie ein Kapuziner stirbt.«

Noch ein großes Opfer sollte er auf sich nehmen. Er wäre so gerne im Kloster gestorben. Sein Krankenpfleger erkrankte selbst. So sah sich der Hausobere gezwungen, Bruder Benno in Spitalpflege zu geben. Ruhig und gottergeben nahm er alles hin. Mit großer Hingabe umsorgten ihn die Barmherzigen Schwestern. Sie hatten in ihm einen vollkommen ergebenen und geduldigen Patienten. Er verlangte nichts und war mit allem zufrieden. Nie eine Klage. Bruder Benno betete ohne Unterlaß. Das hohe Fieber verwirrte ihn. Sein Lieblingsgebetchen, das Stundengebet der Kapuziner, brachte er nicht mehr zustande:

Wenn wir mit dem Tod einst ringen,
wollst Maria uns beispringen,
daß wir selig scheiden hin,
Jungfrau, Mutter, Königin.

Er bat die Schwestern, seinen Beichtvater zu rufen, damit dieser ihm helfe. Dankbar lächelte er, als er mit seiner Hilfe das Gebetchen wieder sprechen konnte.

Trotz der Sorge der Ärzte und der aufopfernden Pflege der Schwestern war dem guten Bruder Benno nicht mehr zu helfen. In tiefer Andacht empfing er die hl. Sakramente: Beichte, Krankensalbung und Kommunion. Die Beschwerden mehrten sich. Es wurde schlimm. Pfeifend ging der Atem, die kranke Lunge vermochte den Schleim nicht mehr auszustoßen.

13. Dezember 1925, ein Sonntag. Das mächtig klingende Geläute der St. Galluspfarrkirche rief zum Gottesdienst. In seinem Krankenzimmer, unweit der Pfarrkirche, sagte Bruder Benno zu Schwester Isidora: »Schwester, bis zum Abend habe ich schon ausgeorgelt.« Langsam verrannen die Leidensstunden. Zeitweise überfiel ihn Bewußtlosigkeit. In einem lichten Augenblick verlangte er Papier und Bleistift und schrieb einige krause, kaum leserliche Zeichen. Es war die Bitte um die hl. Kommunion. Die letzten Stunden war er nicht mehr bei sich.

Als das Vesperglöckchen von der Kapuzinerkirche zu läuten begann, schlug der Schwerkranke noch einmal die Augen auf. Ein helles Leuchten stand darin. Er streckte die Hände aus, als wollte er nach etwas greifen. Dann sank er zurück in das Kissen. Bruder Benno war eingegangen in den ewigen Frieden.

Im Rufe der Heiligkeit

»Er war ein Heiliger«, dachte sich sein Beichtvater auf dem Heimweg vom Stadtspital ins Kloster. Still und laut sagten viele Bregenzer dasselbe. Scharenweise strömten die Leute an seine Bahre. Stadtpfarrer und Dekan Josef Anton Ammann (1861-1926) sagte mit Überzeugung: »Nicht für diesen Bruder müssen wir beten, sondern zu ihm müssen wir beten.« In der festen Hoffnung, daß Bruder Benno nach seinem Hinscheiden in die Herrlichkeit Gottes, in die Gemeinschaft der Heiligen, aufgenommen wurde, beteten die Gläubigen von Bregenz und Umgebung vertrauensvoll zu ihm. Und siehe, Bruder Benno war sofort zur Stelle. Er half, er half schnell, und hielt damit sein Versprechen, Bregenz und die Bregenzer im Himmel nicht zu vergessen. Sein Helfen beschränkte sich nicht allein auf Bregenz. Sein Ruf verbreitete sich, und sein Wohltun vom Himmel aus zog immer weitere Kreise. Hunderte von Dankschreiben langten ein: »Bruder Benno hat geholfen!«

Immer dringlicher wurden Stimmen laut, den Selig­sprechungsprozeß zu begin­nen. Die Kapzinergemeinschaft von Bregenz, Abt und Konvent von Mehrerau (OCist.), Abt und Konvent vom Gallusstift (OSB), die Dominikanerinnen von Thalbach und Marienberg, alle anderen Schwestern­kongregationen, die weltlichen Behörden, an der Spitze der Landeshauptmann von Vorarlberg und der Bürgermeister der Stadt Bregenz, Männer und Frauen aus allen Ständen, richteten ein Bittgesuch an den Hochw. Landesbischof Dr. Sigismund Waitz (1864-1941) in Feldkirch, die Gebeine des Gottseligen zu erheben. Am 12. April 1934 wurde das Grab auf dem Gartenfriedhof des Kapuzinerklosters geöffnet. Der amtliche Totengräber litt gerade an einer offenen Fußwunde. Er wollte darum nicht selbst die Grabung vornehmen. P. Guardian bat ihn, es doch selbst zu tun, denn es mußte dabei große Vorsicht walten. So tat er es denn in Gottes Namen. Und siehe, als er mit der Arbeit begann, hörte der Fuß auf zu schmerzen. Und als er heimkam, spürte er überhaupt nichts mehr.

Bruder Benno erhielt sein neues Grab in der Seitenkapelle (ehemalige Josefskapelle) in der Kapu­zinerkirche, damit alle Hilfesuchenden Zugang zu seiner irdischen Ruhestätte haben. Gebetserhörungen werden bis heute vermeldet.

Am 11. Juli 1955 hat Bischof Dr. Paulus Rusch (1903-1986) den Informativprozeß über Leben, Tugenden und Wunder des Dieners Gottes Bruder Benno Koglbauer eröffnen können. Die Kirche entscheidet, ob ein Christ das Hochziel der Vollkommenheit erreicht hat oder nicht, ob die Stimme des Volkes auch Gottes Stimme ist.


© P. Gaudentius Walser OFMCap, Kaiserjägerstr. 6, 6020 Innsbruck
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

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