Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

Der hl. Thomas von Aquin sagt: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit; Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.“ Beide Tugenden müssen sich gegenseitig ergänzen.

Wie die christliche Liebe beide verbindet, zeigt uns die folgende großartige Geschichte:

Von dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Fiorello Enrico „Henry“ LaGuardia (1882-1947) wird erzählt: Eines Tages fungierte er, wie er es zuweilen tat, als Polizeirichter. Es war ein eiskalter Wintertag, und man führte ihm einen alten, zitternden Mann vor. Anklage: Entwendung eines Laibes Brot aus einer Bäckerei. Der Angeklagte entschuldigte sich damit, dass seine Familie am Verhungern sei. „Ich muss Sie bestrafen“, erklärte LaGuardia. „Das Gesetz duldet keine Ausnahme. Ich kann nichts tun, als Sie zu zehn Dollars zu verurteilen.“ Dann aber griff er in die Tasche und setzte hinzu: „Well, hier sind die zehn Dollars, um Ihre Strafe zu bezahlen. – Und nun erlasse ich Ihnen die Strafe.“ Hierbei warf LaGuardia die Zehndollarnote in seinen grauen Filzhut. – „Und nun“, setzte er mit erhobener Stimme fort, „bestrafe ich jeden Anwesenden in diesem Gerichtssaal mit einer Buße von fünfzig Cent – und zwar dafür, dass er in einer Stadt lebt, wo ein Mensch Brot stehlen muss, um essen zu können! – Herr Gerichtsdiener, kassieren sie die Geldstrafen sogleich ein und übergeben Sie sie dem Angeklagten.“ Der Hut machte die Runde. Und ein noch halb ungläubiger alter Mann verließ den Gerichtssaal mit siebenundvierzig Dollars fünfzig Cent in der Tasche.

Er wird kommen, zu richten

Am Ende des Kirchenjahres und zu Beginn des Advents stellt uns die Kirche in den Evangelien immer wieder das zweite Kommen Christi am Ende der Zeit vor Augen. Christus wird „kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“, heißt es im Glaubensbekenntnis. Wann das sein wird, weiß niemand. Aber wie sollen wir uns als gläubige Menschen verhalten?

Man könnte den Zustand der Welt mit einer Schulklasse bzw. einer Schulstunde vergleichen. Ein Priester erzählte aus seiner Schulzeit: Sie hatten einen Klassenlehrer, der sehr konsequent und gerecht war. Einmal hatte er dringend etwas in der Direktion zu erledigen. Er gab den Schülern eine Aufgabe, mit der sie sich still beschäftigen sollten. Er schärfte ihnen ein, dass er bald zurückkommen werde, und wenn er dann jemand nicht auf seinem Platz und bei der Arbeit findet, erhält er eine Strafe.

Am Anfang war alles ganz ruhig, jeder arbeitete. Aber nach einiger Zeit begannen die ersten zu blödeln. Die anderen mahnten noch zur Ruhe. Aber als der Lehrer immer noch nicht kam, wagten sich die ersten von ihren Plätzen. Bald war die Aufgabe vergessen und es ging drunter und drüber. Zur Sicherheit hatte man einen Aufpasser an die Tür gestellt, der sollte alle rechzeitig warnen, wenn der Lehrer komme. Doch dieser Wächter war noch der größere Spitzbub. Denn nach einiger Zeit schlug er Alarm. Alle liefen auf ihre Plätze, doch das war nur ein Fehlalarm. Dann ging das Gejohle erst richtig los. Und da die Pause nahte, meinten die meisten, der Lehrer würde sowieso nicht mehr kommen. Auch der Wächter hatte seinen Platz verlassen. Die an sich „Braveren“, die zuerst noch gearbeitet hatten, ließen sich mit der Zeit auch mitreißen. Nur einige wenige, die von den anderen als „Streber“ verspottet wurden, waren noch auf den Plätzen und machten ihre Aufgabe.

Und dann plötzlich stand der Lehrer doch da. Niemand hatte sein Kommen bemerkt. Und weil er ein guter Lehrer war, teilte er auch konsequent und gerecht die Strafen aus, die er angedroht hatte. Die einen waren froh darüber, dass der Lehrer dem ganzen Durcheinander ein Ende bereitet hatte, die anderen nicht.

Diese Begebenheit aus dem Schulalltag kann uns ein Gleichnis sein für die Situation der Welt vor dem Kommen Christi. Wie die Kinder, so sind auch wir geneigt unsere Aufgaben zu vernachlässigen, da wir den Endruck haben, Gott sei nicht da, er würde nicht kommen, es gäbe kein Gericht. „Wachet und betet, damit  ihr nicht in Versuchung fallet“, hat Jesus gesagt. Wir dürfen uns nicht vom Treiben der Welt mitreißen lassen. Wir sollen wie der „treue und kluge Verwalter“ jenen Auftrag erfüllen, den der Herr uns gegeben hat. Dann brauchen wir sein Kommen und sein Gericht nicht zu fürchten.

 

Neuer Kirchenrektor

Liebe Leser!
P. Bruno Haider hat in seinen zehn Jahren als Rektor von St. Antonius dieses Gotteshaus gründlich renoviert und verschönert. Er hat aus der Kirche sozusagen ein „Schmuck-Kästchen“ gemacht. Ihm gebührt großer Dank für seinen tollen Einsatz! Der Herr vergelte es ihm!
P. Bruno wurde nun vom International Verantwortlichen der Priestergemeinschaft des „Werkes“, P. Thomas Felder nach Kempten (Allgäu, Deutschland) entsandt und wirkt dort seit Anfang Oktober in der Pfarre St. Antonius – wiederum in einer ehemaligen Kapuzinerkirche.
P. Thomas hat gebeten, dass ich mich als Nachfolger von P. Bruno dem Bischof von Feldkirch, Benno Elbs, vorschlagen lasse. Dieser hat den Vorschlag angenommen und mich – mit Wirksamkeit vom 1. Oktober an – zum neuen Kirchenrektor von St. Antonius in Bregenz ernannt.
Im Vertrauen auf Gottes Hilfe und getragen von Ihrem Gebet hoffe ich, meine neue Aufgabe gut erfüllen zu können.
P. Gerhard Huber FSO

Teufelskreis

Das unmäßige Streben nach irdischem Reichtum, Ansehen und Macht führt die Menschen in einen Teufelskreis, in dem sie letztlich in Einsamkeit, Elend und Armut enden. „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“ (Lk 9,25), sagt Jesus. Die folgende Legende stellt uns dies anschaulich dar:

Im „Bayrischen Wald“, auch „Böhmerwald“ genannt, liegt die Stadt Zwiesel. Sie ist bekannt für das sogenannte Zwiesler Glas, ein leuchtend rubinrotes Glas, das dort hergestellt wird. Eine Legende erzählt von einem erfolgreichen Glasbläsermeister, der dieses begehrte Glas erfunden und als erster hergestellt haben soll.

In einer Winternacht arbeitete der Meister allein vor dem Schmelzofen. Da kam unbemerkt ein Mann in seine Werkstatt, ging auf den Meister zu und übergab ihm ein verschnürtes Säcklein mit der Aufforderung, er solle dessen Inhalt in das Feuer werfen und nichts fragen. Das Glas werde dann das schönste und weltweit begehrteste sein. Der Fremde verschwand wieder, ohne seinen Namen zu verraten. Der Meister öffnete das Säcklein. Es war voller roter Kupfermünzen. Er warf sie alle ins Feuer. Und zu seinem Erstaunen wurde das Glas, das er aus der Schmelze blasen und bruchlos formen konnte, wunderbar rubinrot und hatte eine einmalige dunkle Leuchtkraft. Dieses Glas war bald sehr begehrt und wurde über weltweite Handelswege verkauft. Auf diese Weise wurde der Glasbläsermeister berühmt.

Das Geld aber, das der Meister einnahm, wechselte er immer wieder in Kupfergeld um. Und heimlich in der Nacht warf er die Kupfermünzen wieder in den Feuerofen, um noch mehr rotes Glas herzustellen. Doch je größer sein Erfolg war, umso ärmer wurde er selber. Und eines Nachts starb er einsam und arm vor seinem Ofen.

 

Meine Erlebnisse mit Armen Seelen

Im November gedenken wir besonders unserer lieben Verstorbenen und beten für die Armen Seelen im Fegefeuer.

Maria Simma (1915 – 2004) aus dem kleinen Dorf Sonntag im Großen Walsertal in Vorarlberg war eine weit über die Grenzen Vorarlbergs bekannte Armen-Seelen-Mystikerin. Maria Simma hatte von Gott die besondere Gnadengabe erhalten, mit den Armen Seelen des Fegefeuers zu sprechen. Sie durften durch Maria Simma um Hilfe bitten: Gebete, heilige Messen, den Kreuzweg und den Rosenkranz. Sehr oft musste Frau Simma Personen aufsuchen und ihnen Aufträge von den Armen Seelen übergeben, z.B. ungerechtes Gut zurückgeben, oder um Vergebung bitten, wenn eine Feindschaft über den Tod hinaus bestand, auch hat sie für die Armen Seelen viele Leiden auf sich genommen und gesühnt.

Ein halbes Jahrhundertlang hat Maria Simma in fast ganz Europa ihre Vorträge und Belehrungen über das Fegfeuer und die Armen Seelen gehalten, die ganz in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche waren. Sie sagte:

„Ich halte diese Vorträge, damit den Armen Seelen mehr geholfen wird und die Menschen sich besser auf das Sterben und das ewige Leben vorbereiten können.“

Maria Simma war eine glühende Verteidigerin des heiligen römisch-katholischen Glaubens, eine mutige Kämpferin für den ehrfürchtigen Kommunionempfang – kniend und mit dem Mund – und für die häufige persönliche Beichte. Sehr viele Gläubige und Priester hat sie zum wahren Glauben zurückgeführt. Aus ihrer Erfahrung mit den Armen Seelen sagte sie:

„Erst in der Ewigkeit werdet ihr erkennen, was ihr aus eurer Lebenszeit, aus euren Jahren, Tagen und Stunden gemacht habt und was ihr aus ihnen hättet machen können. Dort wird euch klar werden, was ihr im Leben versäumt habt. Darum benützt die Lebenszeit, um alles gut zu machen. Was würden die Menschen alles tun, um ein anderes Leben zu beginnen, wenn sie wüssten, was die Ewigkeit ist!“

Maria Simma sagt, dass die Sünden gegen die Liebe, Ehrabschneidung, Verleumdung, Unversöhnlichkeit, Streitereien durch Habgier und Neid in der Ewigkeit am schwersten angelastet werden. Hier einige Berichte von ihren Begegnungen mit Armen Seelen:

»Unvergeßlich war mir die Begegnung mit jenem Priester, dessen rechte Hand schwarz war. Ich erkundigte mich nach der Ursache. ‚Ich hätte mehr segnen sollen!‘ klärte er mich auf. ‚Sag das jedem Priester, dem du begegnest, sie sollen mehr segnen. Sie können viel Segen verbreiten und viel böse Macht abwenden.’«

»’Was willst du mit diesem Putzkübel?‘ fragte ich eine Frau, die mir mit einem Putzkübel in der Hand begegnete. ‚Das ist mein Himmelsschlüssel!‘ strahlte sie. ‚Ich habe im Leben nicht viel gebetet, ging selten in die Kirche, aber ich habe einmal einer armen, alten Frau vor Weihnachten das ganze Haus kostenlos ausgeputzt das war meine Rettung!‘ Ein neuer Hinweis darauf, wie es immer wieder auf die Liebe ankommt.«

»Einmal kam ein Arzt und klagte, er müsse leiden, weil er durch Spritzen den Kranken das Leben abgekürzt hätte, dass sie nicht mehr soviel leiden müssten. Das Leiden hätte für die Seele, wenn sie es geduldig trage, einen unendlichen Wert, man dürfe große Schmerzen wohl lindern, aber nicht mit chemischen Mitteln das Leben abkürzen.«

Aber ich kann nichts bezahlen

Maria Simma berichte in ihrem Buch: „Meine Erlebnisse mit Armen Seelen“ von der folgende Begegnung:

Es war im Jahre 1954 an einem Nachmittag um halb drei Uhr. Ich war auf dem Weg nach Marul. Im Wald, bevor man in diese unsere Nachbarsgemeinde gelangt, begegnete mir eine alte Frau, ich dachte, die ist sicher schon über hundert Jahre alt, so alt hat sie ausgeschaut. Als ich sie freundlich grüßte, sagte sie: „Warum grüßest du mich? Mich grüßt niemand mehr!“ Ich tröstete sie: „Sie sind doch des Grußes wert wie jeder andere Mensch!“ Sie begann zu klagen: „Niemand mehr hat diese Kenntnis für mich. Kein Mensch gibt mir etwas zu essen und ich muß auf der Straße schlafen.“ Das gibt es doch nicht, dachte ich, sie ist halt nicht mehr ganz klar im Kopf. Ich versuchte, ihr zu erklären, daß das nicht stimmen könne. „Aber ganz gewiß!“ erwiderte sie. Ich dachte, wenn sie lästig ist, müßte man sie nicht lange haben, weil sie schon so alt ist und ich lud sie ein, bei mir zu essen und zu schlafen. „Ja, bitte, aber ich kann nichts bezahlen!“ „Das hindert nichts, aber Sie müssen es nehmen, wie ich’s hab‘, ich bin nicht eingerichtet, aber besser noch so, als auf der Straße schlafen.“ Darauf dankte sie: „Vergelt’s Gott. Jetzt bin ich erlöst!“ und sie verschwand. Bis dahin hatte ich gar nicht bemerkt, daß es eine Arme Seele war. Offenbar hatte sie im Leben jemanden abgewiesen, wo sie verpflichtet gewesen wäre zu helfen; nun hat sie warten müssen, bis man ihr das freiwillig anbot.

 

Einmal von Jesus erzählen

In der Sowjetunion genügte in den frühen I950er Jahren ein kleiner Vorwand, um jemanden zu verhaften. Wer eine Entscheidung Stalins infrage stellte oder sich kritisch über das kommunistische Regime äußerte, fand sich in einem sowjetischen Arbeitslager in der eisigen Tundra wieder. So erging es auch Dr. Boris Kornfeld. Welches „Verbrechen“ er begangen haben soll, ist nicht überliefert. Sein Leben ist nur bruchstückhaft bekannt: Er war Jude, Arzt von Beruf. Im Arbeitslager hatte er sich mit einem Christen angefreundet. Da sie reichlich Zeit hatten, führten die beiden Männer lange, intensive Gespräche. Irgendwann begann Dr. Kornfeld zu erkennen, dass es Parallelen gab zwischen dem versprochenen Messias des alten Bundes und Jesus Christus, von dem das Neue Testament sprach. An Jesus zu glauben widersprach seiner Erziehung, aber am Ende entschied er sich doch dafür.

Er beobachtete, wie eine Wache einem Sterbenden Brot stahl. Vor seiner Entscheidung für Jesus hätte Dr. Kornfeld das Vergehen nicht gemeldet. Nun zwang ihn sein Gewissen, es zu tun. Damit war es nur eine Frage der Zeit, dass die Wachen sich tödlich an ihm rächen würden. Aber trotz der Gefahr spürte Dr. Kornfeld inneren Frieden. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er weder Angst vor dem Tod noch vor der Ewigkeit. Er hatte nur noch einen Wunsch: vor seinem Tod jemandem von seiner Entdeckung zu berichten. Die Gelegenheit dazu bekam er durch einen Krebspatienten und Mitgefangenen, der sich gerade von einer Bauchoperation erholte und von Dr. Kornfeld betreut wurde. Als dieser mit ihm im Aufwachraum allein war, erzählte Kornfeld ihm hastig flüsternd seine Geschichte. Nichts ließ er aus. Der junge Mann war tief bewegt, aber von der Narkose noch so schwach, dass er schließlich einschlief. Als er wieder aufwachte, bat er darum, mit dem jungen Arzt sprechen zu dürfen. Doch es war zu spät. In der Nacht hatte jemand Dr. Kornfeld mit einem Vorschlaghammer getötet.

In der Stille des Krankenzimmers hatte der Arzt am Bett seines Patienten gesessen und ihm Frieden und Mitgefühl geschenkt. Dr. Kornfeld hatte ihm leidenschaftlich und voller Überzeugung von seiner Entscheidung für Jesus Christus erzählt. Später schrieb dieser junge Patient, dass er in der Stimme des Arztes ein „mystisches Wissen“ vernommen habe. Dieses „mystische Wissen“ veränderte ihn. Er nahm Dr. Kornfelds Glauben an Christus auch für sich an und verlieh seiner Freude später in einem Gedicht Ausdruck: „Gott des Universums! Ich kann wieder glauben!“

Der Patient überlebte das Arbeitslager und begann, über seine Erfahrungen zu schreiben und das Grauen des Gulags zu enthüllen. Er verfasste eine Schrift nach der anderen:  „Der Archipel Gulag“, „Nicht nach der Lüge leben“… Dieser Patient, der von Dr. Kornfeld den Glauben empfangen hatte, war niemand anderer als der große Schriftsteller Alexander Solschenizyn.

 

Ein guter und weiser Vater

Gott ist ein guter und weiser Vater, der uns durch Jesus, seinen Sohn, zur Heiligkeit erziehen will, damit wir ewig bei ihm sein können. Aber zuweilen haben wir den Eindruck, dass er uns Prüfungen, Aufgaben und Herausforderungen auferlegt, die unsere Fähigkeiten weit übersteigen, in denen wir uns von ihm allein gelassen fühlen und einfach im blinden Glauben weitermachen müssen. Die folgende Begebenheit ist ein treffendes Gleichnis dafür, wie der Herr uns erzieht.

In seinem Buch The Dance of Hope (Der Tanz der Hoffnung) erzählt William C. Frey von einem blinden Studenten namens John, den er 1951 an der University of Colorado betreute. Eines Tages fragte er John, wie er blind geworden sei. Der Student erzählte ihm von einem Unfall, den er als Jugendlicher gehabt hatte. Er hatte dabei nicht nur sein Augenlicht, sondern auch jegliche Hoffnung verloren. „Ich war verbittert und wütend auf Gott, dass er so etwas zulassen konnte“, erzählte John. „Und meine Wut ließ ich an allen aus. Wenn ich schon keine Zukunft hatte, dann wollte ich auch keinen Finger mehr krumm machen. Sollten sie mich doch bedienen. Ich verzog mich auf mein Zimmer und kam nur noch zu den Mahlzeiten heraus.“  Das Geständnis überraschte William. Er spürte bei seinem Studenten keinerlei Bitterkeit oder Wut. Wie hatte er das geschafft? Er verdanke dies seinem Vater, erklärte John. Dieser hatte seine Mitleidstour irgendwann satt und wollte, dass sein Sohn ins Leben zurückfand. Also erinnerte er ihn daran, dass der Winter vor der Tür stand, und trug ihm auf, die Sturmfenster zu befestigen. „Und mach das ja, bis ich wieder zu Hause bin, sonst … “ Mit diesen Worten stürmte sein Vater aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

John war wütend. Fluchend und vor sich hin brummend tastete er sich zur Garage vor, fand Fenster, Stehleiter und Werkzeug und machte sich an die Arbeit. „Wenn ich von der Leiter falle und mir das Genick breche, wird ihnen das noch leidtun.“ Aber er fiel nicht herunter. Fenster für Fenster kämpfte er sich um das gesamte Haus und erledigte die Aufgabe.

Und der Auftrag verfehlte seine Wirkung nicht. John lernte wider Willen, dass er doch noch etwas tun konnte, und baute sich langsam sein Leben wieder auf. Erst Jahre später erfuhr er noch etwas über diesen Tag. Als John seinem Lehrer dieses Detail der Geschichte erzählte, traten Tränen in seine blinden Augen: „Später habe ich dann herausgefunden, dass mein Vater zu keinem Zeitpunkt an diesem Tag mehr als anderthalb Meter von mir entfernt war!“

 

Maria, Alma Mater, die verborgene und geheimnisvolle Mutter

Der hl. Ludwig Maria von Montfort schreibt über Maria und das Geheimnis der Menschwerdung:

„Jesus Christus ist durch die allerheiligste Jungfrau Maria in die Welt gekommen, durch sie muß er auch in der Welt herrschen. Maria führte ein ganz verborgenes Leben.

Deshalb wird sie vom Heiligen Geist und von der Kirche Alma Mater genannt: die verborgene und geheimnisvolle Mutter. Ihre Demut war so tief, daß nichts Irdisches größere und bleibende Anziehungskraft auf sie ausübte, als vor sich selbst und vor allen Geschöpfen verborgen zu bleiben, um von Gott allein erkannt zu werden.

Gott erhörte ihre Bitte um Verborgenheit, Armut und Demut. So gefiel es ihm, sie in ihrer Empfängnis, ihrer Geburt, ihrem Leben, ihren Geheimnissen, ihrer Auferstehung und Himmelfahrt vor fast allen Menschen zu verbergen. Selbst ihre Eltern erkannten sie nicht, und die Engel fragten einander oft: Quae est ista? – Wer ist sie? Denn Gott verbarg sie ihnen. Und wenn er ihnen etwas von Maria offenbarte, hielt er von ihr zugleich unendlich viel verborgen. (..)

Gott Vater hat seinen einzigen Sohn der Welt nicht anders geschenkt als durch Maria. Wie sehr auch die Patriarchen, die Propheten und die Heiligen des Alten Bundes viertausend Jahre lang um diesen Schatz gefleht und gebetet haben, nur Maria hat ihn verdient. Durch die Kraft ihrer Gebete und die Größe ihrer Tugenden hat sie bei Gott Gnade gefunden. Weil die Welt nicht würdig war – so der heilige Augustinus -, den Sohn Gottes unmittelbar aus der Hand des Vaters zu empfangen, hat er ihn Maria gegeben, damit die Welt ihn durch sie empfange.“

Quelle: Ludwig-Maria Grignion von Montfort, Abhandlung über die wahre Marienverehrung. Ins Dt. übertr. u. bearb. von Hermann Josef Jünemann. -Vallendar-Schönstatt: Patris-Verlag, 1988 (Nr. 1,2,3 u. 16).

 

Wer der Erste sein will

Am 25. Sonntag im Jahreskreis (B) spricht Jesus im Evangelium über ein wichtiges Prinzip des Reiches Gottes, über das Dienen. Die Apostel haben auf ihrer Wanderung darüber geredet, wer von ihnen der Größte sei. Sie dachten vielleicht, dass Jesus einmal wie ein weltlicher Herrscher die Macht ergreifen würde und sie selber durch ihn eine große Karriere machen könnten.

Das Reich Gottes aber, das Jesus verkündete, war etwas anderes. Hier gelten andere Maßstäbe. „Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,35). Damit gibt Jesus zu verstehen, worin die wahre Größe im Reich Gottes besteht.

„Wer der Erste sein will“ heißt, dass es durchaus möglich ist, der Erste zu sein – das ist keineswegs verboten. Aber groß sein und der Erste sein bedeutet im Reich Gottes nicht, dass man ein Herrscher über die Mitmenschen ist, der sich von den anderen bedienen lässt und auf Kosten der anderen lebt, sondern groß ist der, der dient und zu Gunsten der anderen sein Leben hingibt.

Jesus selbst hat uns darin ein Beispiel gegeben: „Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“, sagt der Herr beim Letzten Abendmahl.
Darum bedeutet groß sein im Dienste des Reiches Gottes:

1. Den letzten Platz einnehmen: Der Apostel Paulus sagt: „Ich glaube nämlich, Gott hat uns Apostel auf den letzten Platz gestellt, wie Todgeweihte; denn wir sind zum Schauspiel geworden für die Welt, für Engel und Menschen.“ Als Diener Gottes haben wir kein großes Ansehen ich den Augen der Welt.

2. Lastenträger sein: Der hl. Paulus sagt: „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ „Wir müssen als die Starken die Schwäche derer tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben.“

3. Loskommen vom Ich: Der hl. Paulus sagt. „… nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir“. Nicht mehr das Ich, sondern Jesus wird zum Mittelpunkt unseres Lebens, um den sich alles dreht.

Menschen also, die sich selbst um Christi willen zurückstellen, die bereit sind, die Lasten anderer zu tragen und die selbstlos dienen, die sind auch die eigentlich tragenden Säulen, sei es in den Familien, in der Kirche oder in der Gesellschaft. Sie stützen und halten zusammen, was durch den Egoismus schon lange zerbrechen würde.

 

Abschied und Dank

Der international Verantwortliche unserer Priestergemeinschaft des „Werkes“, P. Thomas Felder, teilte mir vor einiger Zeit mit, dass ich im Herbst dieses Jahres nach Kempten im Allgäu versetzt werde. Mein Dienst als Kirchenrektor der St. Antoniuskirche (Kapuzinerkirche) in Bregenz geht somit Ende September zu Ende.

Von 2008 bis 2018 habe ich die Aufgabe der Seelsorge und der Verwaltung dieses Gotteshauses im Namen des Bischofs von Feldkirch erfüllen dürfen. Viel Segen habe ich mit den Mitbrüdern unserer Priestergemeinschaft in der Feier der heiligen Messen, in Anbetungsstunden und im Spenden des Beichtsakraments, aber auch in der sonstigen Begegnung mit Menschen aus Bregenz und der Umgebung erfahren dürfen.

Der heilige Kirchenpatron Antonius, der Diener Gottes Bruder Benno Koglbauer und Unsere Liebe Frau von Lourdes, deren Nähe in diesem Gotteshaus und an diesem Ort des früheren Kapuzinerklosters besonders spürbar ist, waren beste Begleiter.

Manche Mühe musste aufgewendet werden: So die Kircheninnenrenovierung, die die vergangenen vier Jahre in Anspruch nahm, zwei Jahre Vorbereitung und zwei Jahre Durchführung. Die letzten Elektroarbeiten stehen immer noch aus. Sonst bietet sich die Kirche in einem sehr schönen und guten Zustand allen, die sie besuchen, dar.

In der Zeit meiner zehnjährigen Wirksamkeit als Seelsorger dieses Gotteshauses sind 340.863,00 Euro für Erneuerungsmaßnahmen und Neuanschaffungen ausgegeben worden, davon für die aktuelle Innenrenovierung 192.060,00 Euro. 20.030,00 Euro kommen noch dazu, wenn die in Auftrag gegeben Elektroarbeiten geschehen sind. Allen Spendern sage ich nochmals von ganzem Herzen „vergelt´s Gott“, ich wünsche Ihnen den bleibenden Beistand und Schutz unseres Herrn!

Ab 1. Oktober wird P. Gerhard Huber von der Priestergemeinschaft des „Werkes“ die Aufgabe als Kirchenrektor der St. Antoniuskirche übernehmen. Er stammt aus Linz und hat in den vergangenen Jahren als Hochschulseelsorger und darauf als Seelsorger eines Krankenhauses in Wien gewirkt. Zugleich mit der Aufgabe der Betreuung der St. Antoniuskirche wurde P. Gerhard durch den international Verantwortlichen, P. Thomas Felder, auch die Leitung der Priestergemeinschaft im Kloster Thalbach anvertraut.

Ich werde ab 1. Oktober in der Stadt Kempten in der Pfarrei St. Anton (Immenstädter Straße 50) wirken und dort die Aufgabe eines Kaplans erfüllen. Herzlich bitte ich Sie um Ihr Gebet für mich und P. Gerhard und danke Ihnen für alle Verbundenheit, Hilfe und alles Gute, das ich durch Sie erfahren habe, auch für alle Nachsicht! Unterstützen Sie, bitte, meinen Nachfolger ebenso wie mich!

Es grüßt Sie und betet weiter für Sie und denkt an Sie in der Feier des hl. Messopfers Ihr

P. Bruno Haider FSO