Dieses Foto ist berühmt geworden. Es zeigt einige Soldaten, Briten
und Deutsche, am Vormittag des 25. Dezember 1914 im Niemandsland an der Westfront in Flandern.
Als Jesus geboren wurde, verkündeten die Engel den Frieden: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). Das Weihnachtsfest erinnert uns immer wieder an diesen Frieden, den uns Christus gebracht hat. Wie stark diese Weihnachtsgnade des Erlösers zum Frieden hin wirken kann, das zeigt uns eine Begebenheit aus dem Ersten Weltkrieg, der vor fast 100 Jahren im Sommer 1914 begonnen hat und soviel Not und Unheil gebracht hat.
Es war im Dezember 1914 in Flandern in Belgien. Die Truppen des Deutschen Reiches hatten sich in Sichtweite ihrer Gegner in Schützengräben verschanzt. Die anderen – Engländer, Franzosen, Belgier – hielten es ebenso. Die feindlichen Heere lagen sich gegenüber oft nur hundert Meter voneinander entfernt. Doch in diesem Todesstreifen des Grauens geschah am 24. und 25. Dezember etwas Unglaubliches.
Anfangs war es nur einer, der am Heiligen Abend im Schützengraben der Deutschen das „Stille Nacht“ vor sich hin sang. Bald stimmten auch andere ein. Leise klang das Lied von Christi Geburt in das tote Niemandsland hinein. Hundert Meter von diesem unsichtbaren Chor entfernt, in den Stellungen der Briten, bliebt es ruhig. Die deutschen Soldaten aber waren in Stimmung gekommen. In einem immer stärker werdenden Chor sangen sie alle bekannten Weihnachtslieder. Als der letzte Ton verklungen war, warteten die Engländer drüben noch eine Minute, dann begannen sie zu klatschen und zu riefen „Good, old Fritz“, und „More, more“, Zugabe, Zugabe. Die derart berührten deutschen Soldaten antworten mit „Merry Christmas, Englishmen“ und „We not shoot, you not shoot“, und was sie da riefen, das meinten sie ernst. Sie stellten auf den Erdwällen vor den Schützengräben Kerzen auf, die wie ein Perlenreihe in der Finsternis leuchteten. Auf beiden Seiten wurden Pappschilder hochgehalten mit der Aufschrift „Merry Christmas“ oder „Frohe Weihnachten“. Durch Gräben und Bunker verbreitete sich die Nachricht vom Frieden in Flandern. Soldaten aller Nationen legten ihre Waffen nieder und feierten gemeinsam Weihnachten. Auf den Hügeln standen sogar Tannenbäume mit Kerzen.
Am nächsten Tag wurden die Toten, die seit Wochen unbestattet im Niemandsland lagen, mit einem gemeinsamen Gebet zur ewigen Ruhe gebettet. Im Tauschhandel wechselten Tabak und Zigarren, Schnaps und Wein die Fronten. Die Männer, die sich am Tag zuvor noch belauert hatten, um sich gegenseitig abzuschießen, zeigten sich die Fotos ihrer Familien und sprachen über ihre Sehnsucht, dass dieser verdammte Krieg enden möge. Und es fanden sogar Fußballspiele statt.
Da die höheren Befehlshaber nicht an der Front waren, beschlossen deutsch und britische, französische und belgische Soldaten ganz spontan, nicht mehr aufeinander zu schießen. Einen solchen Frieden von unten hatte es in der Geschichte eines Krieges noch nie gegeben; und es hat auch niemals wieder einen solchen gegeben. Der sächsische Offizier Georg Reim schrieb in sein Tagebuch, dass alle Gedanken an Kampf und Hass der Völker plötzlich vergessen waren. „Wir fühlten uns dabei glücklich wie die Kinder.“
Aber den Herren des Krieges auf beiden Seiten in den Generalstäben, die weit ab von jedem Schuss waren, wurde nach drei Tagen die weihnachtliche Ruhe unheimlich. Es drohte daraus ein Frieden zu wachsen, der von den einfachen Soldaten beschlossen wurde. Das war von den obersten politischen Kriegstreibern nicht erwünscht. Der Krieg musste weitergehen und er dauerte noch viele Jahre und kostete rund neun Millionen Menschen das Leben. Das Weihnachtswunder im Niemandsland blieb bis heute in allen Kriegen einmalig.